Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
Vom Netzwerk:
stammen?“
    Dreiundneunzig Teile Sicherheit.
    „Ist es sinnvoll, das ching …“ – auf dem Schirm erschi e nen We l lenlinien, was nicht verstanden bedeutete – … „Korrektur: Hat es einen Wert, das I ching zu Rate zu zi e hen?“
    Der Prozeß dauerte etwas länger. Dann blitzte es im Bruchteil einer Sekunde auf dem Bildschirm: Es ist sinnvoll, das I ching zu Rate zu ziehen, weil dadurch Umfang und Sitz des Unbehagens in der Psyche Schiffs-Meister Go r steins deutlicher hervortreten und in Beziehung zu den be o bachteten Elementen auf dem Aeran gebracht werden kön n ten. Vorsicht bei der Inte r pretation!
    Gorstein lächelte. Ashka schien hinreichend befriedigt zu sein; er fühlte sich nicht gedemütigt, weil sich seine bisher i ge Ansicht als falsch erwiesen hatte. Wie hätte er es auch wissen sollen? Etwas außerhalb des Schiffes … höchst b e merkenswert. Etwas außerhalb dieser Metall wände … e t was, das mit dem Planeten oder mit der Kolonie oder mit beiden zu tun ha t te. Gorstein hatte nicht etwa Angst – auf diese Idee kam er gar nicht.
    Ashka wickelte das Buch aus und legte es vor sich hin. Er öffnete es und nahm drei runde Silberscheiben heraus, die zw i schen den Blättern lagen. Er gab sie Gorstein, der sie kurz betrachtete. Es waren sehr alte Münzen; sie zeigten e i nen Frauenkopf auf der einen und ein seltsames, verwirre n des Pfla n zenmuster auf der anderen Seite. Alle drei trugen die Jahreszahl 1961. Die Inschriften waren in zwei altertü m lichen Sprachen, deren eine die Frü h form von Inter-Ling war. Vor langer Zeit hatte Gorstein einmal gefragt, was das eigentlich für Münzen seien. „Sixpence“, hatte Ashka g e heimnisvoll und mit offensichtlichem Stolz geantwortet, „sehr seltene europäische Münzen aus dem Fische-Zeitalter. Zwanzigstes Jahrhundert nach Christi.“
    So alt.
    Gorstein betrachtete die Münzen mit Respekt und wärmte sie auf seine Körpertemperatur an. Ihm wurde ein bißchen übel vor Spannung. Sein Herz begann zu rasen, und Ashkas ruhige Gela s senheit schien tausend Meilen weit weg zu sein. Doch schließlich überkam ihn ein tiefinneres Sicherheitsg e fühl; es war der Druck der Münzen gegen seine Handflächen in der geballten Faust, ihr bitterer, metallischer Geruch, als er die Faust an die Nase führte, das Geräusch beim Anei n anderreihen der Münzen, während er die gravierte Oberfl ä che mit den Fingerspitzen abfühlte. So war die Wirkung j e desmal: Die Mü n zen zogen seine Spannung von ihm ab wie ein Brennpunkt; sie absorbierten seine Emotion auf eine vö l lig metaphorische We i se. Er öffnete die Hand, blickte auf die feuchten Münzen, den legendären Frauenkopf, die merkwürdigen Runen, deren Sinn sich in dunklen Jahrhu n derten verlor … welch eine Kraft, welch eine ehrfurchterr e gende Kraft steckte in diesen Fragmenten einer fast verge s senen Vergangenheit!
    Wie Ashka ihm vor fast zwei Jahren erklärt hatte, als die beiden enge Freunde geworden und einander nähergeko m men waren, als es für den Rationalisten nötig gewesen wäre, um dem jüngeren nützlich zu sein, hatte es eine Zeit geg e ben, da man zur Arbeit mit dem Buch der Wandlungen keine Münzen benutzte. Man warf dünne Stäbchen wieder und wieder, und mittels einer komplizierten Routine des Auszä h lens zu vieren hatte man nach und nach das sechsteilige ying -Zeichen aufgebaut, das die Frage b e antwortete. Es war Ashkas größter Wunsch gewesen, einen Satz solcher Stä b chen aufzutreiben, doch hätten die zerbrechlichen Dinger die Strapazen der langen Reisen auch kaum überstanden. A n ders als Metall konnte Holz seinen Schatten nur wenige hu n dert Jahre weit werfen. Metall konnte weiter in die Zeit h i neinsehen. Die Stäbchen (Stengel hatte er sie genannt) w a ren ein bi ß chen parteiischer, denn bei ihnen kam die yang- Linie ein klein wenig öfter als die ying -Linie heraus. Die Alten hatten angenommen, diese Ne i gung sei die treibende Kraft des ching, doch ihr Verständnis war durch ihr kosm i sches Konzept begrenzt gewesen; ein u n vollständiges (und oft irrationales) Konzept, denn sie hatten die kosmischen Gezeiten nicht in Betracht gezogen und wenig oder gar nicht die Natur der Zeit selbst; und vor allem ha t ten sie das Buch der Wandlungen auf eine unpersönliche Art konsultiert und die tieferen Schichten ihres Geistes überhaupt nicht mit h e rangezogen. Was sie alles versäumt hatten! (sagte Ashka).
    „Wenn du soweit bist …“, sagte der Asiat lächelnd,

Weitere Kostenlose Bücher