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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Deckel. „Wenn du nicht deine natürliche stabile P o sition im Wirbel der Ereignisse findest, wenn du dich nicht auf deine S i tuation einstellen und sie bewußt daraufhin überprüfen kannst, welcher Trend diese Voraussage veru r sacht hat, dann glaube ich, das Orakel sagt eine fehlgeschl a gene Mission voraus, und i r gendwie spürst du das. Es ist auch, muß ich sagen, ein Ratschlag von der Art, wie ich ihn erwarten würde, wenn sich deine Beziehungen zur Besa t zung dieses Schiffes ve r schlechtern. Diese Zweideutigkeit kommt daher, daß du das ching vor der Zeit b e fragt hast. Auf jeden Fall steuerst du in tiefes Wasser, Karl … Du darfst auf keinen Fall vergessen, daß der Ausgang jetzt in deiner Hand liegt. Erfolg oder Fehlschlag hängen von dir ab. Die Zukunft steht nicht fest, also laß es nicht darauf a n kommen. Nimm an, daß alles schiefläuft, finde heraus, wa r um, und dann stelle es ab.“
    „Irgend etwas außerhalb des Schiffes …“
    „Nein, Karl. Etwas außerhalb deines Bewußtseins.“
    „Wir können es ja näher spezifizieren. Wir können das ching fragen, auf welche Alternative es hinauswollte. Wir können es fragen, was genau es als schieflaufend ansieht.“
    Ärgerlich schüttelte Ashka den Kopf. „Nein, Karl, nein. Das können wir nicht. Und wenn wir’s könnten, wäre es zu gefäh r lich.“
    „Das hast du schon einmal gesagt“, fuhr Gorstein auf. „Das hast du früher schon oft gesagt. Wieso würden du und das Buch der Wandlungen kaputtgehen, wenn man etwas Spezif i sches fragt?“
    „Warum sollte ich dich anlügen, Karl?“
    „Weil du dir in deinem rätselhaften Rationalistenhirn vie l leicht einbildest, daß spezifizierte Voraussagen zu leicht sind. Du denkst vielleicht, wenn man vor Alternativen g e stellt wird und Entscheidungen treffen muß, das ist gut für den Charakter, davon wird man stärker. Aber ich brauche Tatsachen, Rationalist, klare Tatsachen. Was wird schiefla u fen – wie, warum, wann? Sag mir diese Tatsachen!“
    „Was würdest du tun, wenn ich sie wüßte?“
    „Wie meinst du das?“
    „Wie würdest du handeln?“
    Gorstein starrte dem Alten ins Gesicht. Ashka lächelte, leicht amüsiert, ohne jede beleidigende Absicht. Tatsachen, dachte Gorstein, Tatsachen oder gar nichts. Was nützt alles andere zw i schen uns? Dieses Buch macht uns zu Krüppeln … „Diesen Streit hatten wir doch schon einmal, Peter, nicht wahr?“
    „So viele Male, Karl …“ Jetzt grinste Ashka unverho h len. „Wie kommt es nur, daß du anscheinend nie die Natur des ching b e greifst? Warum gerade du? Jeder andere hat seine B e ziehung zum Orakel, doch nicht Karl Gorstein.“
    „Kann ich dafür, daß die Wandlungen … Entschuldigung, das I ching . Immer höflich. Kann ich dafür, daß wir uns nie richtig nahekommen?“
    Ashka zuckte die Achseln. „Unmöglich zu sagen. Ich kenne a n dere Männer – und Frauen –, die nie völlig eins mit dem Orakel geworden sind. Bei denen bin ich, wie bei dir, nicht ein bloßer Apparat zur Einstellung der richtigen Brennweite, sondern ein tatsächlicher Kanal, ein Kontrollo r gan. Bei dir muß ich sehr schwer arbeiten, Karl. Ich muß du werden, anstatt einfach daz u sitzen und den Vorgang aus der Ferne zu beaufsicht i gen. Du machst mir sehr viel Mühe.“
    Meine Krücke? Meine helfende Hand? Damit ich auf dem graden schmalen Weg bleibe?
    Die Gedanken bewegten sich weiter in seinem Kopf.
    „Ich weiß, Peter. Und darum schätze ich dich nur um so mehr. Ohne dich …“
    „Wärest du Treibgut, Karl. Bloßes Treibgut, den Wellen und Strömungen ausgeliefert, unfähig, deine Existenz von einem Augenblick zum nächsten zu führen und zu kontro l lieren. Es wäre viel leichter für mich, wenn du wenigstens versuchen würdest, das ching zu verstehen. Es ist doch wir k lich ganz ei n fach. Aber dein hartnäckiger Glaube, daß es das Absolute weiß und es au s sprechen kann, das ist … nun, eine Erschwernis für mich und das Orakel.“
    „Es kann das Absolute aussprechen. Ich weiß, daß es das kann, und du weißt es auch.“ Er wollte jetzt diskutieren. Das Buch selbst ließ ihn ganz kalt, wenn er es ansah.
    „Es gibt kein Absolutes, Karl. Nichts ist unwandelbar. Es kann bloß näher spezifizieren, und du kannst dich entschli e ßen, auf der Welle zu reiten. Ich könnte das Faktum meines Todes ändern, doch ich habe nicht den Wunsch dazu. Ich gleite ihm gelassen entgegen, denn das ist mein Wunsch. Kein Abs o lutum, Karl, sondern Spezifika.

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