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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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das Aufwinden einer Spirale, ein u n bedeutender Punkt im Zentrum einer komplexen, weitläuf i gen Struktur … das unendlich Große nicht zu unterscheiden vom unendlich Kleinen – denn die Unendlichkeit hat keine Dimensionen; sie manifestiert sich als Raum und Zeit au s schließlich zum Vorteil derer, die sich bemühen, ihre U m welt zu definieren.
    Ich schweife ab … meine Gedanken flackern vor- und rückwärts, wie schlagende Vogelschwingen … wie Atemh o len … der ang e haltene Atem der Zeit, hatte Iondai gesagt … man atmet ein und hält den Atem ein Weilchen an; dann erst atmet man aus und bringt den Atemzyklus normal zu Ende.
    Iondai wußte es auf seine primitive, fraglose, praktische, nüc h terne Weise. Er weiß es, wie wahrscheinlich alle Aerani es wi s sen; doch es war ihnen nie in den Sinn gekommen, es zu defini e ren, zu hinterfragen, zu analysieren – sie waren nicht zivilisiert genug, um so ausgeklügelte Methoden zum Verstehen ihrer eig e nen Unbedeutendheit im Vergleich zum weiten All zu benötigen.
    Der Nebel schloß sich dichter; er konnte sein Floß, sogar seine eigenen Hände nicht mehr sehen. Es war eine wunde r volle Abg e schlossenheit, eine wundersame Stille. Es war, als dränge das Weiße direkt in seinen Schädel ein, wirble drinnen herum, Täler und Höhen hinab und hinauf, hier e i nen Gedanken, dort eine Erinnerung isolierend, Fakten vo r schiebend, irrelevante Konklus i onsketten abblockend.
    Eine Welt, deren Zeit sich so fundamental von der norm a len Zeit unterscheidet, daß das ching nicht mehr funkti o niert, daß der menschliche Geist versinkt, verschwindet, sich aus seiner natürl i chen Heimat in den Zellen und Bahnen des Gehirns z u rückzieht. Eine oszillierende Zeitmauer, eine Welt also, wo in jedem Augenblick Vergangenheit und G e genwart ein und da s selbe sind und in diesem Nach- und Vorhall des Augenblicks zusammeng e faßt werden. Wer handelte, hatte bereits gehandelt und würde erst im nächsten Sekundenbruchteil handeln – einer relativen Zei t spanne, die zu kurz war, um im Materiellen wahrgenommen zu werden, in der Materie des Gehirns – sie sprang unkontrolliert in den Rhythmus der Bewegung ein; ein Zeit-Quant, zu kurz, um anders wahrgenommen zu werden als in jenem Schwirrfla t tern, mit dem ein Tier aktiv darum kämpfte, diese Welle a b zureiten, durch eine einmalige Kombination von Zeit und Geist zu entfliehen, was wie ein Schwirren au s sah, weil der Beobachter und sein Objekt sich während dieser kurzen S e kunden des Fluges in verschiedenen Zeitstrukturen bewe g ten.
    Der Schiffscomputer hatte es gewußt. Das ching hatte es g e wußt, doch ohne präzise Frage konnten sie es ihm nicht sagen. Selbst Gorstein, dieser seltsame Mann, hatte bei der Landung gemerkt, daß etwas nicht stimmte; vielleicht war seine Psyche gerade w e gen seiner geringeren Sensitivität empfänglicher für die andersa r tige Zeit als eine sensitivere und daher von Nebengeräuschen überlagerte Psyche. Er ha t te sich unbehaglich g e fühlt, eben als ob etwas nicht stimmte. Das ching hatte ‚von außen’ gesagt, und er, Ashka, hatte das im Sinne von etwas Feindlichem interpretiert, das von der Kolonie herkommen würde. Und es hatte auch Feindseli g keiten gegeben, und er hatte seine Interpretation für richtig gehalten. Aber sie war nicht richtig. Gorstein hatte g e spürt, daß etwas mit der Zeit nicht stimmte; das ching hatte es g e wußt, hatte es zu erklären versucht. Selbst der Computer hatte es zu erklären versucht, doch woher sollte der Comp u ter wissen, daß das, was er als fremdartiges Phänomen en t deckt hatte, mit dem identisch war, was Gorstein ebenfalls entdeckt hatte? Maschinen – sich auf Maschinen zu verla s sen, hieß, sich auf Narren zu verlassen.
    Es lag so viel Ironie in der Situation, daß Ashka endlich dem Lächeln nachgab. Sogar Iondai hatte ja gewußt, daß nicht das ching sich irrte, sondern Ashkas Denken, was n a türlich logisch war. Konnte Ashkas Leib sich leicht in den unregelmäßigen Zei t ablauf einfügen – sein Denken konnte es nicht. Der Geist war etwas Eigenes, Abgetrenntes; er ex i stierte in seinem eigenen Universum, und das glatte Ineina n derfließen von Körper und Geist war eben das, worum es beim tao ging, wenn man es vom menschlichen Standpunkt aus sah. Doch zweifellos konnte sich auch das Denken a n passen – selbst der Geist konnte seine Verl a gerung spüren und sich angleichen; und im Verlauf dieser A n gleichung glitt er

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