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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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langsam, unerbittlich in das andere Zeit-Raum-System, und dieses begann mit dem Leib, der es beherber g te, zu oszillieren, und so entglitt es dem ching, so riß die B e ziehung ab, so wurde das ching sinnlos, weil es nicht mehr richtig arbeiten konnte. Er hatte gedacht, es sei krank, als er es für Iondai befr a gen wollte – war das Eifersucht, war es wegen der Nähe des gr o ßen Orakels irritiert gewesen? Oder war da nur der negative Beitrag eines Geistes, der zwar i m mer noch nah, aber jetzt so weit verlagert war, daß er sich an der rauhen Kante des Nichtfunkti o nierens rieb?
    Und das Gedächtnis … das Gedächtnis: nicht mehr (und nicht weniger) als eine Vibration im Kern der Nervenzelle, eine stä n dige bioelektrische Wellenbewegung, durch eine spezielle kristallinische Eiweißverbindung unter der Ker n membrane determ i niert … eine Wellenform, die bis in die äußere Zellmembran hi n einreichte, wenn ein bestimmtes Gedächtni s fragment gefordert und abgerufen wurde … ein zartes Gewebe, die Vergangenheit des Menschen, seine Identität, sein Schicksal – eingefangen in Milliarden winz i ger Schwingungen – so leicht zu zerstören. Und der Aeran zerstörte sie! Diese ko m plexen Strukturen waren Funktionen sowohl der Zeit als auch des Raumes! Kein Wunder, daß sie unter den andersartigen Parametern der Aeran-Relativität degenerierten. Langsame Zerstörung, Teilchen um Teilchen, Fall um Fall … wenn der Geist den Übergang vollzog, die Grenze überschritt, wurde die angesammelte Erfahrung des Lebens von der Oberfläche, von der Matrize wegradiert, so daß diese leer und frei war für die neuen Chiffren von Leben und Tod. Doch natürlich verschwand nicht alles. Die Spr a che schien zu bleiben, die Wörter, die Begriffe, verzerrt zwar durch den Übergang von e i nem Universum ins andere, doch grundsätzlich die gleichen. Wörter … Rede … in die eine Hirnhälfte eingegraben, dort wo das Gehirn über den Augen hervortritt – und die andere Hemisphäre? … Symb o le, ja … wenn er sich recht erinnerte, war die andere Hem i sphäre für geometrische Assoziationen und Symbole zustä n dig. Doch diese Dinge hatten, anders als das G e dächtnis, ihre Analogie im Cerebellum – sogar die Sprache! Und o b wohl die Cerebralrinde ständig aktiv war, gab es wenig – genaug e nommen nichts außer dem Gedächtnis –, das nicht aufgeteilt wurde zwischen dem höheren Hirn mit seiner komplexen Zel l struktur und dem niederen Hirn mit seinen fundamentaleren Methoden des Aufnehmens und Assozii e rens von Informationen.
    So vieles war im Dunkeln – so vieles war leer, blind wie die Nebelwand, undefinierbar und doch mit einer feinen Ande u tung von Formen und Gesichtern, als sei das verloren geglaubte Gedäch t nis noch da, jedoch tief unten, weit außer Reichwe i te, jenseits des Zugriffs sogar der siebenten Ebene seines Geistes, des tiefen Unbewußten. So vieles in dem G e fängnis der chemischen Codes in seinem Hirn – alle diese Gesichter, Zeiten, Städte, Ereignisse waren nun hinausg e stoßen in eine unbekannte, ewige, höllische Finsternis, w a ren gelöscht, so daß die Bänder leer und bereit zu neuem Empfang waren, in einer neuen Welt, in einer neuen Zeit, in einem neuen Schicksal.
    Er war unerklärlich erregt, sein Geist hinkte hinter seinem Kö r per her, einer großen spontanen Realisation entgegen. Und dann sah er deutlich, was es war.
    Prädestination.
    Natürlich! Deswegen konnte das ching nicht richtig arbe i ten, deshalb fand es auf dem Aeran keine Handhabe. Vie l leicht war es also nicht nur der Benutzer, der etwas falsch machte – vie l leicht hatte er recht gehabt, als er spürte, daß das ching durchei n ander war, und hatte sich nur darin geirrt, daß er die St ö rung für Eifersucht gehalten hatte. Das ching, das Tarot, die anderen o b skuren Orakel, die er gelegentlich benutzte – alle waren sie für ein Universum gedacht, in dem das Schicksal nicht prädestiniert ist, sondern wandelbar, machbar, wo Mensch und Schicksal ein System ständiger Wechselwirkungen, eine bewegliche Welle n front bilden, die mit jeder getro f fenen Entscheidung ihre Position ändert. Dort gab es so etwas wie Voraussage nicht, nur Wahrschei n lichkeit. Niemand konnte die Zukunft sehen, nur eine kün f tige Möglichkeit, weil es auf der Erde, in dem weiten Un i versum der normalen Zeit die Zukunft erst dann gab, wenn sie da war … das ching konnte in diese Leere schauen und die Trends erkennen. Es sah keine

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