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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Rationalisten mit angesehen, weil es ein Fundamentalve r such eines Zeitforschungsinstituts war. Er und andere hatten einen Mann durch eine große Arena laufen sehen; der Mann trug einen schweren Kasten auf dem Rücken, eine Brustpla t te mit komplizierter Apparatur, eine kleine stählerne Sch ä delkappe mit in die Hirnrinde führenden Sonden. Beim La u fen ve r schwand der Mann und erschien eine Viertelsekunde später ein Stück weiter auf se i ner Bahn; auf diese flackernde Art war er durch die Arena g e langt, hatte dann gewendet und war zurückgekommen und schließlich erschöpft z u sammengesunken. Ashka hatte sein Pr o tokoll unterzeichnet und die Veranstaltung verlassen. Es war nicht sehr sensati o nell gewesen, es hatte ihn nicht sonderlich erregt oder in Erstaunen versetzt. Doch bei einer ganzen Anzahl von Z u schauern war das anders. Es lag etwas wie Elektrizität in der Luft: Lachen, Diskussionen, Meinungsaustausch, Entzü c ken.
    Sie hatten einen Mann durch die Zeit laufen sehen, in winz i gen Explosionen, die Sekundenbruchteile dauerten, ihn sich mittels Geist und Maschine einem Universum annähern sehen, wo das ewig gleiche Vorwärtsströmen der Zeit nicht so unve r brüchlich war wie in dem ihren. Ashka hatte sich damals nicht weiter dabei aufgehalten, die Konsequenzen durchzudenken; und später, als er hörte, daß die Versuch s person ihre Bezi e hungen zum ching neu herstellen mußte (schon damals das gleiche Problem, das Elspeth jetzt hatte), war er auch noch nicht auf die Implikationen dieses Exper i ments gekommen.
    In der Nebelmauer, einsam und frierend, aber langsam zum Ve r ständnis jener Welt gelangend, auf der er nach und nach seine Identität verlor, wünschte Peter Ashka, er sei d a mals vor fünfzehn Jahren nicht so voreilig und dumm gew e sen. Er wünschte, er sei nicht nur so ein ganz gewöhnlicher Dutzend-Rationalist; er wünschte, er besäße auch nur ein bißchen Sinn für Neues, so daß er tiefer und bedeutsamer über dieses Exp e riment nachgedacht hätte, das er damals so langweilig fand. Jetzt würde es ihm vie l leicht weiterhelfen.
    Aus seiner Gürteltasche zog er den kleinen, flachen Co m puter-Terminator, der ihn mit dem weitläufigen mnemose n sorischen Akkumulations- und Analysezentrum des Rau m schiffes verband. Er wickelte die Zuleitung ab, beugte sich über Bord des Floßes und stach die Terminatornadel in den moosigen Boden, immer tiefer, bis der Bildschirm lebendig aufleuchtete – ein Zeichen, daß er über den Erdstrom Ko n takt bekommen hatte. Er richtete sich wieder auf und blickte in den Schirm, dann machte er seine Anfrage: „Definiere das Wesen der Zeit auf dem Planeten Erde.“
    Ein kurzes, kaum bemerkbares gelbliches Aufflimmern der Mattscheibe, dann erschien ein dichtgedrängter Schrif t block: Entspr e chend dem empirischen Befund hat die Zeit auf dem Planeten Erde den Charakter eines irreversiblen Kontinuums. Sie wird außerdem definiert als linear und konstant im Ablauf vergleic h bar einer Wellenfront, die sich von der Vergange n heit auf die Zukunft hin bewegt. Es gibt keinen absoluten Sta n dard der Zeit; die Definition bleibt axiomatisch und unbeweisbar und weist die Erdzeit als eff i zienten, jedoch lediglich für praktische Zwecke geeigneten Standard aus. Ashka verstand die Terminologie voll und ganz, was ihn befriedigte. Er löschte die Schrift auf dem Bildschirm und stellte eine neue Frage: „Was ist die Zeit auf dem Aeran?“
    Jetzt kam die Antwort erst nach längerer Pause, und sie erregte Ashka, als er sie las, nicht so sehr des Inhalts wegen als wegen der Tatsache, daß die seelenlose Maschine auf dem Schiff über die Einzigartigkeit des Aeran längst B e scheid wußte, ihr Wissen jedoch nicht ohne die präzise Au f forderung e i nes menschlichen Operators von sich geben konnte:
    Die Zeit auf dem Aeran und in dem ihn umgebenden Raum kann sinnvoll in der Terminologie der Erdzeit def i niert werden, wenn die notwendigen relativistischen Ergä n zungen vol l zogen werden. Nach dieser Terminologie verhält sich die Aeran-Zeit oszillat o risch. Sie fluktuiert zyklisch um den normalen Zeitablauf. Die Amplitude einer Oszillation wird auf 0,02 S e kunden berechnet, die Frequenz auf 37,5 Hz. So einfach – so einzigartig und so ze r störerisch! Zwei Hundertstel einer S e kunde stehen zwischen mir und dem Bewußtsein meines T o des, dachte er. Zwei Hundertstel einer Sekunde entscheiden über alles und jedes: das ganz Große, das ganz Kleine – wie

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