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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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Boden gedrückt, den Mund voller Sand. Er hob den Kopf; ein knochenweißer Strand, übersät mit Algen und ausgebleichtem Treibholz, dehnte sich verschwommen unter einem betrachtenden Auge; auf dem anderen Auge sah er nichts. Er ließ den Kopf sinken, schloß die Augen wieder, und auf jener Seite, die erblindet war, berührte ihn jemand.
    Er zuckte zusammen. Hände zogen an ihm, wälzten ihn auf den Rücken. Er starrte in die eisblauen Augen einer weißen Wildkatze. Sie hatte die Ohren angelegt.
    »Xel«, rief warnend eine Stimme.
    Morgon wollte sprechen, doch nur ein seltsam heiseres Geräusch drang aus seiner Kehle, etwa wie das Krächzen einer Krähe.
    Die Stimme fragte: »Wer seid Ihr? Was ist Euch zugestoßen?«
    Er versuchte zu antworten. Seine Stimme wollte die Wörter nicht formen. Noch während er mit seiner Stimme kämpfte, ging ihm auf, daß nirgendwo in ihm Wörter waren, mit denen er eine Antwort hätte bilden können.
    »Wer seid Ihr?«
    Er schloß die Augen. Schweigen kreiste wie ein Strudel in seinem Kopf und zog ihn immer tiefer in die Dunkelheit hinein.
    Der Geschmack kühlen Wassers auf seinen Lippen weckte ihn erneut. Blind hob er die Hände, trank, bis die Salzkruste in seinem Mund sich auflöste; dann streckte er sich wieder aus, und der leere Becher rollte aus seinen Händen. Einen Augenblick später öffnete er das gesunde Auge wieder.
    Ein junger Mann, mit glattem, weißem Haar und weißen Augen, kniete neben ihm auf dem Lehmboden eines kleinen Hauses. Das weit geschnittene, reich bestickte Gewand, das er trug, war fadenscheinig und zerschlissen; die Haut spannte sich straff über dem eingefallenen, fremdartigen Gesicht mit den stolzen Zügen.
    Als Morgon blinzelnd zu ihm aufblickte, fragte er wieder: »Wer seid Ihr? Könnt Ihr jetzt sprechen?«
    Morgon öffnete den Mund. Wie eine kleine Kräuselwelle, die vom Gestade zurückweicht, glitt sacht und leise etwas davon, das er einmal gewußt hatte. Plötzlich, heftig brach ein Atemstoß aus ihm hervor; gewaltsam preßte er die Ballen seiner Hände in seine Augen.
    »Seid vorsichtig.« Der Mann zog ihm die Hände vom Gesicht. »Ihr scheint euch den Kopf angeschlagen zu haben; Euer Auge ist ganz mit Blut und Sand verkrustet.« Behutsam wusch er es. »Ihr könnt Euch also an Euren Namen nicht erinnern. Seid Ihr in dem Sturm der letzten Nacht von einem Schiff ins Meer gestürzt? Seid Ihr aus Ymris? Aus Anuin? Aus Isig? Seid Ihr ein Händler? Kommt Ihr aus Hed? Aus Lungold? Seid Ihr ein Fischer aus Loor?« Verwundert und ratlos über Morgons Schweigen schüttelte er den Kopf. »Ihr seid stumm und unerklärlich wie die hohlen Goldkugeln, die ich auf der Ebene der Winde ausgrabe. Könnt Ihr jetzt sehen?«
    Morgon nickte, und der Mann hockte sich auf die Fersen nieder. Stirnrunzelnd blickte er in Morgons Gesicht, als meinte er, in ihm irgendwo einen Namen finden zu können. Unvermittelt vertieften sich die Falten auf seiner Stirn; er hob eine Hand und strich Morgon das mit Salz verkrustete Haar aus der Stirn. Seine Stimme war heiser, als er sprach.
    »Drei Sterne.«
    Morgon griff sich mit der Hand an die Stirn, sie zu berühren. Leise, ungläubig sagte der Mann: »Nicht einmal daran erinnert Ihr Euch. Ihr seid aus dem Meer emporgetaucht mit drei Sternen auf Eurem Gesicht, ohne Namen und ohne Stimme, wie ein Omen aus der Vergangenheit - « Erbrach ab, als Morgons Hand auf seinen Arm niederfiel und ihn umfaßte und Morgon ein fragendes Knurren hervorstieß. »Oh! Ich bin Astrin Ymris.« Dann fügte er steif, beinahe bitter hinzu: »Ich bin der Bruder und Landerbe von Heureu, dem König von Ymris.« Er schob einen Arm unter Morgons Schultern. »Wenn Ihr Euch aufsetzt, gebe ich Euch trockene Sachen zum Anziehen.«
    Er streifte Morgon den zerfetzten, durchnäßten Kittel ab, wusch ihm den Sand vom Körper und half ihm in eine lange Kutte aus kostbarem, dunklem Tuch. Er holte Holz, fachte die Glut unter einem Suppenkessel an; doch als die Suppe heiß war, war Morgon eingeschlafen.
    Zur Abenddämmerung erwachte er. Das Häuschen war leer; er setzte sich auf und sah sich um. Möbel gab es nur wenige: eine Bank, einen großen Tisch, auf dem alle möglichen Dinge herumlagen, einen hohen Hocker, den Strohsack, auf dem Mor- gon geschlafen hatte. An der Tür lehnten einige Werkzeuge: eine Hacke, ein Hammer, ein Meißel, ein Besen; Schmutz haftete an ihnen. Morgon stand auf und ging zur Tür, um sie zu öffnen. Vor ihm dehnte sich eine weite, windgepeitschte Ebene

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