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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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dem Schicksal, das Rood mir bestimmt glaubt, nachspüren, ehe es mich aufspürt? Ich werde doch nicht einem Schicksal nachjagen wie einer verlorenen Kuh.«
    Der schmale Mund des Großmeisters Ohm zuckte leicht.
    »Wer war Hon von Yrye?«
    Morgon seufzte lautlos. »Hon war ein Harfner am Hofe Hars von Osterland, der Har mit einem Lied so schreckliche Schmach antat, daß er vor Har floh, weil er den Tod fürchtete. Allein wanderte er in die Berge, nahm nichts mit sich außer seiner Harfe, und lebte fern von den Menschen still und zurückgezogen, bestellte das Land und spielte auf seiner Harfe. So wunderbar waren die Klänge seiner Harfe in seiner Einsamkeit, daß sie zu seiner Stimme wurden und zu den Tieren sprachen, die um ihn lebten. Und von Geschöpf zu Geschöpf flog Kunde davon, bis es eines Tages dem Wolf von Osterland, Har, zu
    Ohren kam, als er in dieser Gestalt durch das Land schweifte. Die Neugier zog ihn an die äußersten Grenzen seines Königreichs, und dort fand er Hon, der am Ende der Welt auf seiner Harfe spielte. Der Wolf setzte sich nieder und lauschte. Und als Hon seine Weise beendete und den Blick hob, da sah er, daß das Schreckliche, vor dem er geflohen war, auf seiner Schwelle stand.«
    »Und der Lehrsatz?«
    »Der Mann, der vor dem Tode flieht, muß zuerst vor sich selbst fliehen. Aber ich sehe nicht, was das mit mir zu tun hat. Ich fliehe nicht: Ich hab’ ganz einfach kein Interesse.«
    Das flüchtige Lächeln des Großmeisters vertiefte sich ein wenig. »Dann wünsche ich Euch Frieden in Eurem Desinteresse, Morgon von Hed«, sagte er still.
    Morgon sah Rood nicht wieder, obwohl er den halben Nachmittag in den Gärten und auf der Felsklippe über dem Meer nach ihm suchte. Er nahm das Nachtmahl mit den Großmeistern ein, und als er später in der Windstille des abendlichen Zwielichts nach draußen wanderte, sah er den Harfner des Erhabenen die Straße heraufkommen.
    Thod blieb stehen und sagte: »Ihr seht bedrückt aus.«
    »Ich kann Rood nicht finden. Er muß nach Caithnard hinuntergegangen sein.« Tief in Gedanken fuhr er sich mit der Hand durch das Haar und drückte seine Schultern gegen den Stamm einer Eiche. Drei Sterne schimmerten unter seinem Haaransatz, matt und gedämpft im Abendlicht. »Wir hatten einen Streit; ich weiß nicht einmal genau, worum es eigentlich ging. Ich hätte ihn gern an meiner Seite, wenn ich nach Anuin reise, aber es ist schon spät, und ich weiß nicht, ob er nun kommen wird.«
    »Wir sollten aufs Schiff gehen.«
    »Ich weiß. Wenn wir die Ebbe versäumen, segeln sie ohne uns ab. Wahrscheinlich hockt er betrunken und nackt bis auf die Stiefel in irgendeiner Taverne. Vielleicht wäre es ihm lieber, ich unternähme eine lange Reise zum Erhabenen, anstatt Rendel zu heiraten. Und vielleicht hat er recht. Sie gehört nicht nach Hed, und das hat ihn so aufgewühlt. Vielleicht sollte ich ihn suchen und mich mit ihm betrinken und dann nach Hause fahren. Ich weiß es nicht.« Er sah den Blick des Unverständnisses im geduldigen Gesicht des Harfners und seufzte: »Ich hole mein Bündel.«
    »Ich muß noch mit Großmeister Ohm sprechen, ehe wir abreisen. Aber gerade Rood hätte Euch doch gewiß die Wahrheit darüber gesagt, wie er zu der Heirat steht.«
    Morgon stemmte sich von dem Baum ab.
    »Ja, wahrscheinlich«, meinte er bedrückt. »Aber ich verstehe nicht, warum er mich gerade zu einer solchen Zeit so in Unruhe versetzen muß.«
    Er holte sein Bündel aus dem Chaos von Roods Kammer und entbot den Großmeistern Lebewohl. Der Himmel dunkelte, als er und der Harfenspieler sich auf den langen Weg zurück zur Stadt machten; auf den beiden Landspitzen der Bucht waren die Leuchtfeuer entzündet worden; Lichter aus Häusern und Gaststätten hoben sich wie Sterne aus der Dunkelheit. Die Brandung schlug tosend gegen die Felsen, und ein abendlicher Wind regte sich, wurde stärker, blies den Geruch nach Salz und Nacht zum Festland hin. Das Handelsschiff schaukelte rastlos auf dem Wasser, als sie an Bord gingen; ein loses Segel fing den Wind auf, blähte sich geisterhaft im Mondlicht. Morgon, der am Heck stand, sah zu, wie die Lichter vom Hafen sich im gekräuselten Wasser fingen und verschluckt wurden.
    »Wenn uns der Wind günstig ist, werden wir Anuin am Nachmittag erreichen«, sagte ein rotbärtiger Händler mit einer wulstigen Narbe im Gesicht freundlich zu ihm. »Ihr könnt oben oder unten schlafen, wie es Euch beliebt. Mit den Pferden unten, werdet ihr Euch vielleicht hier

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