Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
versuchte, die Bilder zu deuten, ohne die Schale zu berühren, stieß ein ungeduldiges Knurren aus, als jemand an die Tür klopfte. Dann spannte sich sein Gesicht. Er griff nach dem Schwert, hielt es lose in der Hand, als er die Tür öffnete.
»Rork!« sagte er, und dann nichts mehr.
Drei Männer drängten an Astrin vorbei ins Haus. Sie trugen silberweiße Panzerhemden unter langen, schweren, prächtig bestickten Umhängen; Schwerter hingen an den mit Edelsteinen besetzten Gürteln.
Der schwarzbärtige Händler, den Astrin fortgejagt hatte, sah Morgon an und sagte: »Da ist er. Der Fürst von Hed. Seht ihn Euch an. Er ist verletzt, er kann nicht sprechen. Er kennt mich nicht, obwohl ich erst vor fünf Wochen Getreide und Schafe von ihm gekauft habe; ich kannte seinen Vater.«
Langsam erhob sich Morgon. Andere Männer traten ein: ein hochgewachsener, kostbar gekleideter, rothaariger Mann, auf dem Gesicht einen gequälten Ausdruck; noch ein Wächter; ein bleichhaariger Harfner. In dem verwirrenden Durcheinander von Gesichtern suchte er Astrins Gesicht und sah in ihm das gleiche ungläubige Entsetzen wie in den Augen der Fremden.
»Rork«, stieß Astrin hervor, »das ist doch nicht möglich. Ich habe ihn an der Küste gefunden, vom Meer angespült - er konnte nicht sprechen, er konnte nicht - «
Die Augen des Ritters von Umber suchten die des Harfners und erhielten Bestätigung. Müde sagte er: »Er ist der Fürst von Hed.« Er fuhr sich mit der Hand seufzend durch das leuchtende Haar. »Ihr hattet die Harfe bei Euch. Thod sucht ihn seit fünf Wochen, und dieser Händler hier tauchte schließlich beim König in Caerweddin mit der Geschichte auf, daß Ihr rasend geworden wärt, zwei Händler getötet und den Fürsten von Hed verwundet hättet, ihn bei Euch gefangen hieltet und ihm irgendwie - durch Zauber, vermute ich - die Stimme geraubt hättet. Könnt Ihr Euch vorstellen, was Heureu denkt? In Mere- mont und Tor braut sich unter den Herren, die an der Küste sitzen, eine befremdliche Rebellion zusammen, für die nicht einmal die Edlen des Hofes eine Erklärung finden können. Zum zweitenmal in einem Jahr sind wir aufgefordert, zu den Waffen zu greifen, und nun wird auch noch der Landerbe von Ymris beschuldigt, zwei Männer getötet zu haben und einen Landherrscher bei sich gefangenzuhalten. Der König hat bewaffnete Leute gesandt, die Befehl haben, Euch gefangenzunehmen, wenn Ihr Widerstand leistet; der Erhabene schickte seinen Harfner, Euch zum Untergang zu verdammen, falls Ihr zu fliehen versuchen solltet, und ich bin gekommen - ich bin gekommen, um Euch anzuhören.«
Astrin drückte eine Hand auf seine Augen. Morgon, dessen Blick verwirrt von einem Gesicht zum anderen irrte, stieß wiederum einen unartikulierten Laut aus, als er einen Namen hörte, der ihm gehörte und ihm dennoch nichts sagte. Der Händler sog scharf den Atem ein.
»Hört Euch das an! Vor fünf Wochen noch konnte er sprechen. Als ich ihn sah, lag er dort auf dem Lager und machte unverständliche Geräusche, und das Blut floß ihm in Strömen aus der Seite. Herr Astrin aber stand an der Tür, Blut an seinem Schwert, und drohte, mich zu töten. Es ist alles gut«, fügte er zu Morgon gewandt beschwichtigend hinzu. »Ihr seid jetzt in Sicherheit.«
Morgon wollte sprechen, doch kein Laut kam aus seinem Mund; statt dessen hob er die Schale, die sie so geduldig zusammengesetzt hatten, und zertrümmerte sie auf dem Tisch. Nun hatte er alle Aufmerksamkeit. Erschrocken starrten sie ihn an, doch er konnte nicht sprechen. Er setzte sich wieder und preßte die Hände auf seinen Mund.
Astrin trat einen Schritt auf ihn zu, blieb stehen.
»Er kann nicht bis Caerweddin reiten«, sagte er zu Rork. »Seine Wunde ist kaum verheilt. Rork, Ihr könnt doch nicht glauben - ich habe ihn am Strand gefunden, vom Meer angespült, ohne Namen, ohne Stimme - , Ihr könnt doch nicht glauben, daß ich ihm Böses tun würde.«
»Nein, das glaube ich nicht«, gab Rork zurück. »Aber woher hat er die Verwundung?«
»Ich wollte mit ihm nach Caithnard, um zu sehen, ob die Großmeister ihn erkennen würden. Unterwegs begegneten wir zwei Händlern, die uns beide töten wollten. Da hab ich sie getötet. Und dann klopfte dieser Mann an meine Tür, nachdem ich gerade den Fürsten von Hed hergebracht hatte und selbst kaum wußte, ob er tot oder lebendig war. Könnt Ihr es mir ver- übeln, daß ich ihn nicht gerade gastfreundlich aufgenommen habe?«
Der Händler zog seine
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