Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
während sein Atem wie das Knirschen von Kieselsteinen klang. Neben dem Feuer stand Heureu, die Hände in Astrins Schultern vergraben, und drückte den Mann an die Wand, während Rork Umbers Schwert wie die Zunge einer Flamme auf seine Brust gerichtet war.
Morgon rappelte sich hoch. Heureu und Rork starrten ungläubig auf den Mann mit den weißen Augen.
Als hätte es ihm den Atem verschlagen, so daß er nicht laut sprechen konnte, flüsterte Rork: »Ich kann es nicht glauben. Ich kann es nicht glauben - «
Eine Bewegung an der Tür zog Morgons Auge auf sich. Er wollte sprechen; seine Stimme, die gequetscht in seiner Kehle gefangen saß, kam in einem schrillen, verzweifelten Vogelschrei über seine Lippen, und die beiden Männer wandten ihm hastig ihre verständnislosen Gesichter zu.
»Heureu!«
Der König wirbelte herum. Astrin stand unter der Tür. Einen Moment lang waren sie beide wie erstarrt, Astrin und Heureu; dann kam Leben in Heureus Augen.
»Sei vorsichtig«, sagte er. »Ich habe nicht deine Sehergabe. Wenn ich dich verwechsle, werde ich dies hier niemals verstehen.«
»Heureu!« rief Rork scharf.
Die Gestalt unter seinem Schwert zerfloß. Wie Rauch hob sie sich vor ihren Augen in die Luft, bis sie plötzlich verschwunden war und ein weißer Vogel durch das Zimmer zu Astrin hinschoß.
Der riß die Arme hoch, als der Vogel ihm ins Gesicht schlug. Gleichzeitig schrien sie auf, er und der Vogel; er stolperte und stürzte, die Hände auf den Augen.
Morgon war zuerst bei ihm, hielt ihn fest und sah das Blut, das zwischen den starren Fingern hervorquoll, die ein Auge bedeckten. Ein Krachen ertönte hinter ihnen; heulend fuhr der Wind durch die zackige Öffnung, die der Vogel ins Fenster geschlagen hatte.
Heureu ging zu Astrin. Mit beschwichtigendem Murmeln zog er Astrins Finger von seinem Auge. Der Atem stockte ihm, und er fuhr einen Pagen an, der mit bleichem Gesicht draußen im Gang stand und zu ihnen hereinspähte.
»Hol Anoth.«
Astrin, dessen Kopf auf Morgons Schulter ruhte, stammelte heiser: »Ich wollte fortgehen, aber ich konnte nicht. Ich kam zurück zu Morgons Zimmer, um zu sehen, ob du noch hier wärst, und als ich durch den Gang schritt, sah ich - ich sah mich selbst in das Zimmer vor mir hineingehen. Da habe ich etwas getan, was ich nie zuvor zustande gebracht habe. Ich sandte dir durch das’Gestein der Mauern hindurch einen Ruf - den Ruf der Zauberer. Ich - ich wartete. Es fiel mir schwer, aber du wolltest Beweise.«
»Ich weiß. Lieg still. Du hast - « Er brach ab. Nichts an ihm regte sich, nicht sein Atem, nicht seine Hände, nicht seine Augen, während das Blut langsam aus seinem Gesicht wich. »So lange schon«, flüsterte er. »Dieser weiße Vogel.«
Er verstummte, kniete nieder und neigte sich zu Astrin. Eine Weile schwiegen sie beide. Dann stand er hastig auf; Rork packte ihn bei der Schulter.
»Heureu!«
Der König riß sich von ihm los, schritt den langen, öden Gang hinunter. Morgon schloß die Augen. Frau Anoth kam, ernsten Gesichts und außer Atem, um Astrins Auge zu verbinden. Rork half ihm auf. Von seiner Last befreit, stand Morgon einen Moment lang allein. Er ging zum Fenster, berührte das zerbrochene Glas. Und da sah er jenseits von Caerweddin die Steine der Ruinenstadt in der Ebene von Königsmund, die verstreut lagen wie die Gebeine eines riesenhaften, namenlosen Menschen.
Er kleidete sijch an und ging hinunter in den großen Saal. Feuerschein blitzte in den Sternen auf der Stirnseite der Harfe. Er hob das Instrument auf und streifte sich den juwelenbesetzten Riemen über die Schulter. Er hörte einen Schritt hinter sich und drehte sich um. Der Harfenspieler des Erhabenen trat auf ihn zu und legte die Finger auf die Sterne.
»Ich war dabei«, sagte er leise, »als Yrth diese Harfe machte. Ich hörte das erste Lied, das auf ihr gespielt wurde. «
Seine Hand wanderte aufwärts, schloß sich behutsam um Morgons Schulter. Morgon hörte auf zu zittern.
»Ich möchte fort«, sagte er.
»Ich werde den König bitten, Euch ein Schiff und Wächter zu geben. Ihr seid jetzt wohl wieder soweit gesund, daß Ihr nach Hed reisen könnt, wenn Ihr vorsichtig seid.«
»Ich reise nicht nach Hed. Ich reise zum Erlenstern-Berg.« Die Sterne schienen ihm, als er auf sie hinunterblickte, wie eine Spiegelung seines eigenen Gesichts. »Die Drohungen, die gegen mein eigenes Leben gerichtet sind, kann ich mißachten. Ich kann mich meiner Neugier erwehren. Ich kann leugnen, daß
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