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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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irgendwo in mir ein Mensch wohnt, dessen Namen ich nicht weiß. Aber ich kann nicht leugnen, daß diese Sterne auf meinem Gesicht jenen, die ich liebe, den Tod bringen können. Deshalb reise ich zum Erlenstern-Berg, den Erhabenen zu fragen, warum das so ist.«
    Der Harfner schwieg; Morgon konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten.
    »Reist Ihr mit dem Schiff?«
    »Nein. Ich möchte lebend an meinem Ziel ankommen.«
    »Es ist spät im Jahr für eine Reise nach Norden. Es wird eine lange, einsame, gefährliche Reise werden; Ihr werdet monatelang von Hed fern sein.«
    »Wollt Ihr mich davon abbringen?« fragte Morgon überrascht.
    Die Hand, die auf seiner Schulter lag, griff etwas fester zu.
    »Seit drei Jahren bin ich nicht mehr am Erlenstern-Berg gewesen. Ich würde gern heimkehren, sollte der Erhabene nicht andere Aufgaben für mich haben. Darf ich mit Euch reisen?«
    Morgon neigte den Kopf. Seine Hand berührte die Harfe, und einige Saiten erklangen zart und zögernd, als suchten sie den Anfang eines Liedes.
    »Ich danke Euch. Aber habt Ihr keine Angst, mit einem Mann zu reisen, dessen Spuren der Tod folgt?«
    »Nicht, wenn dieser Mann die Harfe des Harfners von Lun- gold trägt.«
    Schon am nächsten Tag in aller Frühe brachen sie auf. Sie gingen so still und heimlich, daß nur Heureu und der halbblinde Landerbe von Ymris wußten, daß sie fortgezogen waren. In nördlicher Richtung ritten sie über die Ebene von Königsmund, und ihre langen morgendlichen Schatten spielten über die massigen, glatten Steine. Eine Möwe, die über ihnen im kühlen Morgen kreiste, stieß einen Schrei aus, der wie eine Herausforderung klang; dann flog sie, ein leuchtender Fleck am klaren Morgenhimmel, südwärts über die Kette schlanker Kriegsschiffe davon, die sich, die blauen Segel leicht gebläht, auf den trägen Wassern des Flusses Thul zum Meer hinaustragen ließen.

 
Kap.5
    In gemächlicher Gangart ritten sie durch Ymris, während Morgon noch mit den Nachwehen seiner Krankheit kämpfte. Sie mieden die stattlichen Häuser der Ritter von Ymris, suchten des Abends Unterkunft in kleinen Dörfern, die inmitten eines Teppichs von Feldern und Wiesen kauerten oder sich in die Biegung eines Flusses schmiegten. Thod bezahlte mit seinem Harfenspiel für die Gastfreundschaft der Bauern. Morgon, der von einer Erkältung geplagt wurde, die ihn schweigsam und verdrießlich machte, schlürfte heiße Brühe, die die Frauen ihm brachten, und sah zu, wie vom Tagwerk müde Bauern und widerspenstige Kinder ruhig und gelöst wurden beim Klang von Thods süßem, kunstvollem Harfenspiel, beim Gesang seiner schönen, geübten Stimme. Ohne Zögern spielte er ihnen jedes Lied, jede Ballade, jeden Tanz, den sie sich wünschten; und ab und zu kam es vor, daß einer seine eigene Harfe holte, eine Harfe, die von Generation zu Generation weitergegeben worden war, und von ihrem merkwürdigen Lebenslauf berichtete oder ein Lied darauf spielte, das Thod unweigerlich wiederholen konnte, nachdem er es nur einmal gehört hatte. Oft spürte Morgon, wenn er das alterslose Gesicht betrachtete, das über das glänzende Eichenholz der Harfe geneigt war, das vertraute Drängen einer Frage in den geheimen Tiefen seines Geistes.
    In Marcher, einem rauhen, unwirtlichen Gebiet mit steinigen Feldern und Hügeln, wo es nur vereinzelt Dörfer und Höfe gab, kampierten sie zum erstenmal im Freien. An einem schmalen Bach unter drei alten Eichen machten sie halt. Das Licht der Abendsonne, die am klaren, tiefblauen Himmel hing, wurde von den roten Wänden der Felsen, die aus der Erde aufragten, zurückgeworfen und überzog das Hügelgras mit goldenem Glanz. Morgon, der gerade dabei war, ein Feuer anzufachen, hielt einen Augenblick inne und sah sich um. Das rauhe, gewellte Land zog sich zu einer Kette alter, abgetragener Hügel hin, die, kahl und rundrückig, an schlafende Greise erinnerten.
    »Nie habe ich so einsames Land gesehen«, sagte er verwundert.
    Thod, der ihre Vorräte an Brot, Käse und Wein auspackte, dazu die Äpfel und Nüsse, die ein Bauer ihnen mitgegeben hatte, lächelte.
    »Wartet, bis Ihr den Isig-Paß erreicht. Dies hier ist sanftes Land.«
    »Es ist von ungeheurer Weite. Wäre ich so lange in gerader Linie durch Hed gereist, so marschierte ich schon seit einer Woche auf dem Grund des Meeres.«
    Er legte noch einen Zweig ins Feuer und sah zu, wie die Flammen über die welken Blätter züngelten. Der dumpfe Schmerz in seiner Seite und die Mattigkeit des

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