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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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unerwartet; wenn man überhaupt seiner gedachte, so mit Ehrfurcht und Vertrauen: Seine ganze Sorge galt dem Land; der Beachtung jenes einen Gesetzes, das tiefer als alle Gedanken, tiefer als alle Träume in seinen Landherrschern verwurzelt war.
    Morgon gedachte der schrecklichen Geschichte von Borst von An, der, in dem Bemühen, ein Heer aus Hel abzuwehren, An in Flammen gesetzt hatte, so daß die Feuersbrunst sich über das halbe Land gewälzt, Getreide und Obstpflanzungen ver-nichtet, Hügelhänge und Flußufer kahlgebrannt hatte. End-lich sicher, war er aus einem tiefen Schlaf der Erschöpfung er-wacht, um zu erkennen, daß ihm das stille, feine Empfinden für den Gehalt der Dinge, das über bloßes Sehen hinausreichte, und das ihm seit dem Tod seines Vaters wie ein verbor-genes Auge gedient hatte, verlorengegangen war. Sein Land-erbe, der wehklagend in die Kammer gestürzt war, hatte inne-gehalten, verwundert, ihn noch am Leben zu finden.
    Das Feuer sank in sich zusammen wie ein Tier, das sich zum Schlaf zusammenrollt. Morgon warf eine Handvoll Zweige und trockene Eicheln darauf, und es loderte wieder auf. Borst hatte seinem Leben selbst ein Ende gemacht. Der Zauberer Talies, methodisch und scharfzüngig, dem Borsts Kriege ein Dorn im Auge gewesen waren, schrieb die Episode mit Genuß nieder, berichtete sie einem vorbeikommenden Händler, und innerhalb von drei Monaten brachen schlagartig - so unsicher und gefährlich das Handelsgeschäft in jenen Jahren des Aufruhrs auch war - alle Kampfhandlungen im Reich des Erhabenen ab. Der Friede war nicht von langer Dauer; die Kämpfe um Grenzen und Königsmacht waren noch nicht beendet, doch sie wurden seltener und hatten nicht mehr so verheerende Auswirkungen. Damals waren die Häfen und die großen Städte langsam gewachsen: Anuin, Caithnard, Caerweddin, Kraal, Kyrth...
    Und nun erhob sich an den Küsten, von den meisten Ländern unbemerkt, ungehindert vom Erhabenen, eine befremdliche, dunkle Macht. Seit Lebzeiten der Zauberer hatte es keine Wesen von solcher Macht mehr gegeben; die Zauberer, selbst hochbegabt, rastlos und willkürlich, hätten sich nie träumen lassen, einen Landherrscher zu töten. In den Sagen und der Geschichte des Landes hatte es kaum eine Spur ihrer Existenz gegeben, bis sie, ein jahrhundertealtes Schweigen brechend, aufgestanden waren, dem Sternenträger in Caithnard gegenüberzutreten. Ein Gesicht hob sich vor Morgons Augen aus dem Feuer: schaumbleich, verwischt, mit Augen, die leuchteten wie feuchter Tang, wie nasse Muschelschalen. Ein Lächeln stand in ihnen, ein wissendes Lächeln, dem seine Gedanken vertraut waren.
    Er stieß zum Herzen der Fragen vor; seine Lippen bewegten sich, flüsterten die entscheidende Frage: »Warum?«
    Ein feiner, kalter Lufthauch wehte über den Fluß; sein Feuer erzitterte unter ihm. Plötzlich sah er, wie winzig dieses Feuer war in der unendlichen Dunkelheit. Furcht prickelte auf seiner Haut; er wurde starr und lauschte, um über das Rauschen und Plätschern des Wassers hinweg das feine Knacken eines Zweiges, das Rascheln der Blätter zu hören. Doch das Murmeln des Baches verschluckte alle Geräusche, und der Wind strich geräuschlos durch die kahlen Zweige. Er legte sich zurück. Das Feuer sank zusammen; die Sterne über den schwarzen Ästen der Eichen schienen im Wind zu zittern und zu schwanken. Als brächte der Wind ein Echo der großen Leere, die ihn umgab, erstarb seine Furcht. Er drehte sich auf die Seite, schlief traumlos.
    Am nächsten Tag erreichte er, dem Cwill folgend, das Meer. Hlurle, kaum mehr als ein Kai, eine lockere Ansammlung von Lagerhallen, Gasthäusern und kleinen, windschiefen Hütten, lag zusammengekauert unter regenschwerem Nebel, der sich vom Meer hereinwälzte. Zwei Schiffe lagen zwischen den Fischerbooten verankert; ihre eingezogenen Segel waren blau. Kein Mensch schien in der Nähe zu sein. Triefend naß und fröstelnd ritt er den Kai hinunter, hörte durch das Prasseln des Regens hindurch das Klirren von Ketten, das Knarren von
    Holz, den gelegentlichen Anprall eines Schiffes an die Kaimauer. Vor ihm drangen die Lichter eines kleinen Gasthauses durch die milchigen Nebel. Dort hielt er an, stieg unter dem weit vorspringenden Dach vom Pferd.
    Rauchende Fackeln und ein loderndes Feuer erleuchteten drinnen die Tische aus rohem Holz, an denen sich Seeleute drängten, Händler mit edelsteingeschmückten Händen, mürrische Fischer, die der Regen hereingetrieben hatte. Von flüchtigen,

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