Erebos
Vampir.«
»Samira kenne ich«, sagt Sarius eifrig.
»Ja und? Jedenfalls ist sie abgehauen, als –«
Der schwarze Skorpion, der hinter Aurora um die Ecke schießt, ist riesig, das Klacken seiner Beine nun unüberhörbar. Sarius weicht vor dem hochgebogenen Stachel zur Seite und hebt sein Schwert. Er könnte versuchen, dem Tier eine Schere abzuhacken, wenn es näher kommt. Doch das tut es nicht, es hält bei Aurora inne, die es viel zu spät bemerkt hat, bringt sich in Position und sticht zu. Aurora geht zu Boden. Ist da noch Rot an ihrem Gürtel? Sarius hat keine Zeit nachzusehen und keine Lust, schon wieder Lebensenergie an die Katzenfrau zu verschwenden. Er glaubt, von der anderen Seite einen weiteren Skorpion herankommen zu hören. Der würde ihm den Weg abschneiden, dann müsste er umkehren …
Sarius überlegt nicht lange. Er schwingt sein Schwert und schlägt auf die linke Schere ein. Es klingt, als schlüge Metall auf Metall. Der Skorpion weicht ein Stück zurück. Sarius sticht dahin, wo der winzige Kopf sitzt, das Tier schlägt mit den Scheren nach ihm, reckt den Stachel erneut hoch in die Luft. Etwas tropft von der Spitze zu Boden – Blut, Gift oder beides – und bildet eine dampfende Pfütze auf dem Steinboden.
Nun zielt Sarius auf den Stachel, der nicht weit über seinem Kopf hin und her schwingt. Beim zweiten Versuch trifft er. Der Skorpion zuckt zurück, macht kehrt und läuft davon, verschwindet in einem der dunklen Schächte des Labyrinths.
Sarius wirft einen letzten Blick auf die regungslose Aurora und macht sich davon. Ich habe ihr einmal geholfen, das muss reichen. Er behält seine Umgebung scharf im Auge, während er läuft. Warum hat Aurora den Skorpion nicht gehört? Er hat eine diffuse Ahnung. Sie war verletzt und wollte sich das schmerzhafte Kreischen in ihrem Kopf ersparen. Schwerer Fehler.
Umso mehr lauscht er nun jedem Laut hinterher. Er wird sich nicht überrumpeln lassen. Er wird nicht als Zwei sterben.
Ein Skorpion ist hinter ihm, Sarius kann es fühlen. Oh, und hören natürlich auch. Er wird sich hüten, auf einen seiner Sinne zu verzichten. Doch davon abgesehen hat er noch keine Strategie, wie er unversehrt aus dem Labyrinth herauskommen soll.
Einen Atemzug lang bleibt er stehen und horcht. Kein Kampflärm. Auch die Laufgeräusche des ihn verfolgenden Skorpions sind nicht mehr zu hören. Beunruhigend. Langsam geht Sarius weiter, folgt dem Weg nach rechts und steht vor einer Gabelung. Ob man in diesem Labyrinth verhungern kann?
Er folgt seinem Instinkt, geht nach links – und sieht einen Skorpion spinnengleich an der Mauer kleben, dessen schwarze Rückenplatten den Fackelschein reflektieren. Er ist noch größer als der letzte. Das Vieh schwingt seinen Stachel, als wolle es Sarius damit hypnotisieren. Schneller als er überlegen kann, hat er sein Schwert über den Kopf gerissen. Er schwingt es nicht, er stößt einfach zu, zielt ungefähr auf die Mitte des gepanzerten Leibes, dahin, wo die Rückenplatten aneinanderstoßen …
Es gibt ein hässliches knirschendes Geräusch. Das Schwert verschwindet tief im Körper des Tieres, das nun wie verrückt versucht, Sarius mit dem Stachel zu treffen. Doch es kann sich nicht bewegen, das Schwert nagelt es fest. Sarius’ Arme zittern – den Skorpion festzuhalten ist anstrengender, als Berghänge aufwärtszulaufen. Er will sich nicht vorstellen, was passiert, wenn seine Ausdauer am Ende ist.
Stirb, denkt er, stirb doch endlich.
Irgendwann – Sarius kommt es wie Stunden vor – hören die Bewegungen des Tieres auf, es wird schlaff, sein stachelbewehrter Schwanz sinkt zur Seite. Endlich kann er seine Waffe herausziehen. Was er nicht bedacht hat, ist, dass tote Skorpione nicht mehr imstande sind, sich an Wänden festzuklammern. Als ihm das klar wird, ist es fast zu spät, er springt gerade noch zur Seite, bevor das Tier ihn im Fallen unter sich begraben kann. Es liegt still, nur ab und zu zuckt eines seiner Beine.
Sarius setzt sich mit dem Rücken zur Wand und starrt den toten Skorpion an. Er lauscht, ob ein weiterer Artgenosse sich nähert, aber sosehr er sich anstrengt, es ist kein Trippeln zu hören. Dafür setzt langsam und fast unmerklich wieder Musik ein. Sie ist neu, aber gleichzeitig vertraut, und überzeugt Sarius, dass ihm derzeit keine Gefahr droht. Er kann sich Zeit nehmen, seinen besiegten Gegner genauer zu betrachten, und entdeckt, dass er ihn ohne große Mühe zerlegen kann. Die Scheren abtrennen zum Beispiel.
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