Erfindung der Violet Adams
Kaninchen, das von einer genialen künstlerischen Leistung und von einem ebensolchen Design zeugte. Das Fell war sorgfältig gestaltet und schien so weich, dass man es anfassen wollte, und die Nute, wo die diversen Körperteile miteinander verbunden waren, war kaum sichtbar. Es trug ein goldenes Halsband, an dem eine lange, goldene Kette befestigt war, die Cecily sich um die Hand geschlungen hatte. »Das ist Shakespeare. Mein Cousin Ernest hat ihn für mich gemacht, als ich klein war, und seitdem habe ich ihn. Wenn er nicht mehr läuft, liegt das in der Regel daran, dass eine Feder abgenutzt ist, er ist schließlich schon ziemlich alt, doch diesmal finde ich den Fehler nicht. Können Sie mir helfen?«
Violet nickte. Das hatte der Duke gemacht? Neugierde ergriff Besitz von ihr. Sie hatte noch nie etwas gesehen, das er geschaffen hatte, noch nie von einer großen Erfindung von ihm gehört. Doch jetzt lag eine seiner Kreationen vor ihr. Ein Beispiel seiner Fantasie. Violet war gespannt, es sich anzusehen.
»Es geht so auf«, sagte Cecily, griff hinter das Ohr des Kaninchens und drückte auf etwas, das wie ein Stück Fell aussah. Shakespeares Rumpf öffnete sich und enthüllte einen komplexen Wirrwarr aus Getrieben und Federn.
»Könnten Sie … ? Ich meine, um zu wissen, wie man es repariert, würde es helfen zu wissen, wie es funktioniert«, sagte Violet.
»Oh, natürlich«, sagte Cecily. »Wie dumm von mir. Es ist nur ein Spielzeug. Es hüpft hinter mir her, in welche Richtung auch immer ich die Kette ziehe. Und durch das Ziehen an der Kette, muss es nie aufgezogen werden. Ich weiß, dass das nur ein dummes Spielzeug ist. Es tut mir so leid, Ihre Zeit in Anspruch zu nehmen.«
»Es ist mir eine Ehre, wirklich«, lenkte Violet ein. Cecily errötete leicht ob dieser Antwort, doch Violet nahm keine Notiz davon, weil sie bereits damit beschäftigt war, Shakespeares Einzelteile zu untersuchen. Doch Miriam war es nicht entgangen, und sie trat näher heran, schwebte wie ein Schatten hinter Cecilys Schulter.
»Aha«, sagte Violet. »Eins der Getriebe hat sich gelockert. Was normalerweise kein Problem wäre, nur dass dadurch die Kette durchhängt und sich nicht mehr von selbst aufzieht. Eine wirklich brillante Erfindung. Möchten Sie, dass ich sie für Sie repariere?« Violet blickte auf und lächelte Cecily an.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Cecily und lächelte zurück.
»Natürlich nicht«, sagte Violet. Eine Arbeit des Dukes zu reparieren, ihren Geist mit seinem zu verbinden, erfüllte sie mit einer Freude, für die sie keine Worte hatte. Doch das sagte sie nicht laut. Stattdessen ging sie zu den Kisten mit den Ersatzteilen an der Seite des Raums, nahm ein Getriebe von der richtigen Größe heraus und brachte es zurück zu ihrem Tisch, um Shakespeare zu reparieren.
Cecily hatte mit ihren sechzehn Jahren noch nie die leidenschaftlichen Gefühle romantischer Liebe erfahren. Wie so viele junge Mädchen – und, obwohl sie es wohl kaum zugeben würden, junge Männer – hatte sie oft von der Liebe reden gehört und nahm sogar an, ein oder zweimal verliebt gewesen zu sein, doch die Pflanze der Liebe wuchs noch in ihrem Inneren und war noch nicht wirklich erblüht. Wenn diese Pflanze in der Brust eines jungen Menschen erblüht, der keine Ahnung von ihren Auswirkungen hat, kann der kleinste Pollen der frisch erblühten Blume das Herz überquellen lassen. Und so erging es Cecily, als Violet – die Cecily für Ashton hielt – sie das erste Mal anlächelte. Cecily sah Ashtons helle Haut, seine langen Wimpern und seine feuchten, rosafarbenen Lippen, und ihr Körper und ihre Seele reagierten darauf. Was ein älterer Mensch als Zuneigung oder Verliebtheit interpretiert hätte, war für sie Liebe.
Violet verschloss Shakespeares Körper wieder sorgfältig und reichte ihn Cecily. »Jetzt müsste er wieder funktionieren«, sagte Violet.
»Vielen, vielen Dank«, antwortete Cecily, nahm das goldene Kaninchen und ließ es versuchsweise ein paar Mal hüpfen. Sie seufzte zum einen, weil sie glücklich war, dass Shakespeare wieder funktionierte, doch auch weil sie wusste, dass Liebende nun einmal seufzten.
»Gern geschehen«, sagte Violet.
Cecily schwankte noch einen Moment und sah Violet stumm an.
»Vielleicht sollten wir jetzt zum Chemielabor gehen«, schlug Miriam hinter ihr vor. »Ich bin mir sicher, dass Professor Curio inzwischen den Saft aus getrockneten Weiden hat, nach dem Sie gefragt haben.«
Cecily nickte,
Weitere Kostenlose Bücher