Erfolg
Ratschläge lassen konnte, die rutschende Krawatte des Kapellmeisters, die man nicht rutschen lassen konnte, die Gedanken, die man doch ans Außen bringen mußte, still, unentwegt, ohne Hoffnung auf Verständnis, verbissen. Das Problem mit dem Radfahrer, von dem man nicht loskam. Es war halt kein Flugzeug, es war ein Radfahrer. Jetzt aber ging es ganz wild auf, es kam die Ouvertüre zu »Dichter und Bauer«. Die ging furchtbar schnell, gleich war man aus dem Takt. Allein man war gewissenhaft, man steckte die weißgeschminkte, bebrillte Gurkennase in die Notenblätter, geriet in einen Strudel, mühte sich, zappelte, versank im Strudel. Die andern rasten über einen fort: man ließ nicht locker, man arbeitete für sein Geld, arbeitete für drei. Und es war halt kein Flugzeug, es war ein Radfahrer. Und die Krawatte rutschte auch schon wieder. Eine wilde Sache. Todernst, dürr, hoffnungslos, die Waden um die Stuhlbeine gewickelt, traurig, verstockt, emsig, gewissenhaft arbeitete man. Das Publikum schrie, brüllte, tobte vor Lachen, fiel von den Stühlen, japsend, sich an Bier und Speisen verschluckend.
Seltsam, wie vor der simplen Eindringlichkeit dieses Schauspielers Hierl die Zuschauer gleich wurden. Ihre Einzelsorgen, Einzelfreuden versanken. Nicht mehr dachte Johanna an den Mann Krüger, nicht mehr Herr Hessreiter an die kitschigen, langbärtigen Gnomen und die gigantischen Fliegenpilze seiner Fabrik, der Minister Klenk nicht mehr an gewisse in nächster Zeit vorzunehmende bedeutungsvolle Personalveränderungen, nicht mehr der Geheimrat Kahlenegger an diesich häufenden, erbitternden Angriffe auf seine Theorien über den Elefanten der zoologischen Sammlung. Wie die Köpfe mit gleichmäßiger Bewegung der Bewegung des Schauspielers auf der Bühne folgten, so reagierte mit gleichmäßiger Schadenfreude ihr Herz auf die erfolglose Bemühung des mürrischen Menschen auf der Bühne. Ja, untergingen alle andern vielfältigen Interessen der tausend Sinne des dichtgefüllten Saales in der einen schallenden Freude über das Mißgeschick des geschminkten, verdrießlich sich abarbeitenden Hanswursten.
Nur der Dr. Geyer behielt seine Kritik. Mißgelaunt, abschätzig saß er da, manchmal mit dem eleganten Krückstock, leise, klopfte er den Boden, rötete sich nervös, fand die ganze Geschichte ungeheuer albern, passend zu der Minderwertigkeit des Volksstamms, in dessen Mitte ein widerwärtiges Geschick ihn hatte geboren werden lassen. Seine scharfen Augen gingen hinter den dicken Brillengläsern von dem trüben, birnenschädeligen Mann auf der Bühne zu dem Minister Klenk, der wuchtig dasaß in seiner Lodenjoppe, Pfeife im Mund, aus breiter Brust Ströme von Gelächter holend. Dr. Geyers Augen und seine Gedanken kehrten nicht zurück zur Bühne, verweilten bei dem lachenden Mann im Zuschauerraum. Die Partei hatte dem Dr. Geyer ein Reichstagsmandat in Aussicht gestellt. Er war unbequem rührig, man wollte ihn forthaben. Auch lockte ihn die lebendige Stadt Berlin. Allein es war schwer, München zu verlassen, sich von dem Feind loszureißen, der behaglich im Triumph sich sielte.
Siehe! Er verhöhnte ihn. Grüßte, wagte es zu grüßen, hob das Glas, ihm zuzutrinken. Auch der uralte Geheimrat Kahlenegger mit blöden, stumpfen Augen folgte dem Beispiel des Ministers, trank, grüßte herüber.
Man hörte jetzt, drangvoll eng sitzend, die nächste Szene des Komikers. Das war die Darstellung eines Brandes und der amtierenden Feuerwehr. Die Männer von der Feuerwehr vergessen immer wieder, daß es brennt. Sie verlieren sich in Gespräche über Dinge, die ihnen wichtiger scheinen, Feststellungvon Verwandtschaften, ob der Huber, den der eine meine, der, dessen Tochter jetzt Klavier spielen lernt, identisch sei mit dem Huber des andern. Auch der Besitzer des brennenden Hauses interessiert sich mehr für diese Dinge. Die Qualitäten einer Spritze werden umständlich erörtert und vorgeführt, während jenseits dieser trefflichen, nur eben infolge Demonstrierung nicht angewandten Spritze das brennende Haus zusammenstürzt. Der Saal schütterte vor Jubel und Gaudi, der Minister lachte sein riesiges Lachen, Hessreiter und Johanna freuten sich. Der Geheimrat Kahlenegger, auch er mit dem Minister an einem Tisch mit Bürgern, die ihm nicht weiter bekannt waren, zeigte in langen, druckreifen Sätzen die anthropologische Basis, auf welcher der Humor des Komikers beruhe. Er sprach von dem Schottermenschen, der von jeher das Schotterdreieck
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