Erfolg
stellte sich vor, gab ihr zutraulich die Hand. »Ich meine, man sollte anfangen«, sagte der Bürgermeister und schaute, trotzdem eine große Wanduhr im Zimmer hing, auf seine klobige Taschenuhr. »Ja«, sagte der Direktor. »Führen Sie den«, er machte eine Pause, » Bräutigam herein.« Die Journalisten grinsten, mit einemmal hatten alle im Zimmer etwas zu reden. »Nur Mut«, sagte merkwürdigerweise der als Trauzeuge bestimmte Wärter zu Johanna, von den andern nicht gehört.
Als Martin Krüger und sein Trauzeuge Leonhard Renkmaier hereingeführt wurden, entstand Geräusper und Verlegenheit. Man hatte Martin Krüger erlaubt, bei diesem Anlaß die Zuchthauskleidung abzulegen. Er hatte einen grauen Sommeranzug getragen, als er in Odelsberg eingeliefert wurde; diesen Anzug trug er jetzt. Allein er war schlotterig geworden und sah befremdlich aus, jetzt im Winter, in den Mauern von Odelsberg, in dem eleganten Sommeranzug vom vergangenen Jahr. Der Trauzeuge Leonhard Renkmaier hingegen trug den graubraunen Rock des Zuchthäuslers. Mit vorquellenden, blassen Augen betrachtete er eilig die Versammlung, er machte hurtige Verbeugungen, war ungeheuer angeregt. Der redefreudige, geltungssüchtige Mensch witterte Sensation, sein Instinkt sagte ihm, daß die Herren an den Wänden Journalisten seien. Dies war ein großer Tag für ihn. Jede Bewegung, jeder Blick dieser wenigen Minuten war kostbares Gut, von dem der gesellige Mann lange, kahle Monate zehren mußte.
»Darf ich also bitten, Herr Bürgermeister«, sagte der Direktor. »Ja«, sagte der dicke Bürgermeister, zog etwas an seinem langen, schwarzen Rock. Der Lehrer wischte sich den Schweiß von der Oberlippe, breitete umständlich ein riesiges Buch aus. Der Bürgermeister fragte die Formel. Martin sah ringsum, sah alle an, den Direktor, die Wärter, den Leonhard Renkmaier, die Journalisten an den Wänden und, sehr aufmerksam, Johanna; er sah, daß ihr breites Gesicht tief vonSonne gebräunt war. Dann sagte er: »Ja.« Johanna sagte klar und deutlich: »Ja«, klemmte die Oberlippe ein. Der Lehrer bat höflich, man möge jetzt in sein großes Buch die Unterschriften vollziehen. »Bitte, nicht Ihren Mädchennamen«, sagte er zu Johanna, »sondern den Ihres Herrn Gemahls.« Die Journalisten feixten über den Herrn Gemahl . Mit flinken, schattenlosen Zügen schrieb elegant Leonhard Renkmaier seinen Namen, kostend das süße Gefühl, daß jetzt alle ihm zuschauten, daß die Zeitungen berichten würden über diese Handlung. Johanna Krain-Krüger, atmend die muffige, verbrauchte Luft des kleinen Raums, um sich die Wärter mit ihren Mützen, Direktor, Bürgermeister, schaute mechanisch, um sich abzulenken, auf die entstehenden Schriftzüge, die fahrigen, weiten, dünnen Renkmaiers, die engen, ungefügen, dicken des Wärters. Doch vermied sie den Blick auf Martins Unterschrift.
Jetzt kamen die Anwesenden alle heran, schüttelten die Hände, gratulierten. Martin Krüger nahm es gleichmütig hin, freundlich, die Journalisten konnten mit bestem Willen weder Trotz noch Verzweiflung, noch irgend etwas journalistisch Verwertbares an seinem Verhalten beobachten. Hingegen versuchte sogleich Leonhard Renkmaier mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Allein nach wenigen Sätzen schritt der Direktor ein, höflich und entschieden, und Leonhard Renkmaiers Festtag erlosch.
Martin Krüger und seine Frau wurden in das Sprechzimmer geführt, wo Martin Krüger sich noch eine Stunde in Gegenwart eines Wärters unterhalten konnte. Einer der Journalisten fragte den Direktor, ob denn nun dem Krüger nicht Gelegenheit gegeben werde, die soeben vollzogene Ehe zu konsumieren. Der Oberregierungsrat Förtsch hatte sich darauf gefreut, daß Martin oder Johanna ein dahingehendes Ersuchen an ihn richten würde, er war enttäuscht gewesen, daß das nicht geschehen war; denn er hatte gerade hierfür einige witzige Erwiderungen präpariert gehabt. Jetzt, mit hastigem Auf und Ab seines Nagetiermundes, konnte er seine mitLiebe zurechtgemachten Scherze wenigstens an die Journalisten bringen.
Die Unterhaltung zwischen Johanna und Martin floß zäh, mit Pausen. Trotzdem der wohlwollende Wärter nicht hinhörte, ließen sie die Zeit vergehen, ohne sie zu nützen. Kaum, daß sie Persönliches sprachen. Johanna schämte sich, daß sie so kalt blieb. Aber was sollte sie diesem Manne sagen, der mit einem wissenden, freundlichen Lächeln auf sie sah wie ein Erwachsener auf ein Kind? Was eigentlich hatte sie mit ihm zu
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