Erfolg
ausdrücken können. Aber das verstanden sie nicht, die Zwetschgenschädel, die blöden. Das ließen sie nicht zu.
Knurrig, mit gelangweiltem, hohlwangigem Kopf, ausgemergelt, in schlotterigen, langen Unterhosen stand er da, kläglich, trank, blinzelte seine Gefährtin an, schimpfte leise vor sich hin. Endlich, er war trotz guter Einnahmen geizig und scheute den Luxus einer Mietdroschke, ließ er sich von ihr zu einem Straßenbahnwagen ziehen. Auf der Plattform drängte er sich an sie, voll Angst vor der Berührung der fremden Leute.
16
Die Hochzeit von Odelsberg
Diesmal fuhr Johanna in der Eisenbahn nach der Strafanstalt Odelsberg. Es war eine mühevolle Fahrt. Zweimal mußte sie in Nebenstrecken umsteigen. Die Wagen der langsamen, überfüllten Züge waren abgebraucht, ungepflegt. Wie Herr Hessreiter hatte auch der Ingenieur Kaspar Pröckl ihr angeboten, sie im Auto hinzubringen; aber im Grunde war sie trotz der überaus umständlichen Eisenbahnfahrt froh, daß das Wetter die Benützung des Autos nicht erlaubte. Alles in allem war es ihr nicht unangenehm, daß die Zuchthausverwaltung den Kaspar Pröckl als Trauzeugen nicht genehmigt hatte. Sie war nicht in der Laune, mit dem anstrengenden, fanatischen, unmanierlichen Jungen zusammenzusein. So freilich war sie ungeschützt den Zudringlichkeiten einiger Journalisten preisgegeben, die, nachdem sie ihr keinerlei verwertbare Äußerungen ablocken konnten, sie durch freches Anstarren, lautes Kombinieren, Hantieren mit ihren Photographenapparaten verdrossen.
Endlich die kahle Zufahrtsstraße zu der Strafanstalt. Die flache, langweilige, wie ein ungedeckter Tisch hingebreitete Landschaft. Der nackte, öde Würfel des Zuchthauses, durchlöchert von den gleichmäßigen, winzigen Fenstern, die die Größe der Mauern mehr betonten als unterbrachen. Das kahle, riesige Tor, die Wache, die Stube, in der die Papiere geprüft wurden, die langen Korridore mit ihrem moderigen Geruch. Der Blick auf den Hof mit den sechs eingemauerten Bäumen.
Johanna wurde in das Zimmer des Direktors geführt. Das Kaninchengesicht des Oberregierungsrates Förtsch war wichtig, das Schnurrbärtchen hastete mit den rasch bewegten Lippen, die aus der Nase kommenden Härchen zuckten, die ganze Miene des Mannes war in geschäftiger Bewegung. Er hatte emsig nachgedacht, was wohl hinter der Heirat stecke,welche schlauen Motive hinter der ersten Weigerung und all dem Geziere, Krampf und Getue des Strafgefangenen Nummer 2478 verborgen sein könnten. Aber er hatte es nicht herausgekriegt. Irgendwo hier, das spürte Direktor Förtsch, mußte es eine Möglichkeit geben, einen Punkt für seine Karriere herauszuschinden. In jedem Fall roch diese Hochzeit nach Sensation; die hätte er gerne ausgenutzt. Er hatte beschlossen, sich leicht zu geben, jovial; auch ein paar witzige Wendungen hatte er vorbereitet, die vielleicht in der Presse kommen könnten.
»Da wären wir also soweit«, sagte er mit einem hurtigen, schadhafte Zähne bloßlegenden Lächeln zu Johanna. Ein dicker, verlegener Mann war noch da, in einem langen, schwarzen Rock, mit einer umfangreichen Uhrkette über dem Bauch, der Bürgermeister des nahe gelegenen Marktfleckens, der als Standesbeamter fungieren sollte, und der Lehrer, auch er unsicher, schwitzend, als Protokollführer. Die Journalisten, die mit Johanna gefahren waren, standen an den Wänden herum. Sie schaute mit Unwillen, den Kopf langsam drehend, von einem zum andern.
»Kann ich Krüger vorher sehen?« fragte sie sachlich. »Leider durchaus nicht angängig«, sagte der Direktor. »Wir haben ohnedies jede mögliche Konzession gemacht. In einem ähnlichen Fall wurde dem Gefangenen nach dem Trauakt eine halbe Stunde Sprechzeit zugebilligt, ich habe Ihnen eine Stunde genehmigt. Da werden Sie sich reichlich aussprechen können, denke ich.« Johanna erwiderte nichts, es war Stille in dem kleinen Raum. An den Wänden hing das Doktordiplom des Direktors, ein Bild, ihn als Offizier darstellend, ein Bild des Feldmarschalls Hindenburg. Mehrere Beamte des Zuchthauses waren da, sie hielten die Mützen in den Händen, schwiegen, voll Erwartung. Nach langem Hin und Her hatte man dem Krüger zugebilligt, daß der Strafgefangene Leonhard Renkmaier, den man ihm für die Spaziergänge zwischen den sechs Bäumen beigesellt hatte, als Trauzeuge fungieren könne. Als zweiter Trauzeuge war ein Gefangenenwärterbestimmt, ein Mann mit einem viereckigen, ruhigen, nicht harten Gesicht. Er ging zu Johanna hin,
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