Erfolg
gestrickten Weste. Die Anni stak natürlich mit ihrem Schlawiner zusammen, mit ihrem Pröckl, dem Herrn Ingenieur, dem notigen, und der Beni hockte wahrscheinlich in einer seiner damischen Betriebsratssitzungen. »Der rote Hund, der rote«, schimpfte er vor sich hin, während er sich den schwarzen Ohrenstuhl, den er selber auf neu zurechtgerichtet hatte, näher an den Ofen rückte. Er war Witwer, hatte das Bedürfnis, sich auszusprechen. Gerade heute nach der Unterredung mit dem Holländer. Aber da hockte er, allein. Natürlich, erst zieht man die Kinder auf; wenn man dann einmal eine Ansprache braucht, ist keins da.
Das Geschäft mit dem Holländer, der Reliquienschrein, das Kommoderl , die halbe Million. Blödsinn. Basta. Er mag das jetzt nicht. Seine Ruhe will er haben. Er stellte sich, um den Schmarren aus seinem Kopf zu bringen, recht leibhaft die Gesichter der Kinder vor. Eigentlich, wenn man es recht bedenkt, hat sich der Beni doch rasch wieder hinaufgerappelt. Eine Lausbüberei war das Ganze gewesen, eine jugendlicheVerirrung, wie der geistliche Herr sehr richtig bemerkt hatte. Und schließlich war es ja bloß, weil er Klavier lernen wollte. Sonst wäre der Rotzbub niemals zu der »Roten Sieben« gegangen. Er war kein Politischer seiner ganzen Art nach. Sicher stimmte, was er angab, daß er sich auf der Liste dieser kommunistischen Vereinigung nur deshalb hatte führen lassen, weil ihm im Hinterzimmer der »Hundskugel«, wo die »Rote Sieben« zusammenzukommen pflegte, das Klavier zur Verfügung stand. Von dem Sprengstoffattentat, für das dann das Ausnahmegericht, das Volksgericht, alle Mitglieder der Vereinigung zu Zuchthausstrafen verurteilte, hat der Bub bestimmt keine Ahnung gehabt.
Es schien ja wieder ein wenig hinaufzugehen, indem der hochwürdige Herr dazu verholfen hat, daß ihm der größere Teil der Strafe erlassen wurde. Sogar eine gute Stellung hat er jetzt, in den Bayrischen Kraftfahrzeugwerken, und Vorlesungen hört er auf der Technischen Hochschule. Kaputt gemacht haben sie ihn nicht mit ihrem Zuchthaus. Bloß so weit haben sie es gebracht, daß er jetzt ein wirklicher Bolschewist ist, der Saubub.
Auch die Anni verdient ganz gut. Sauber ist sie, gestellt . Und daß sie mit einem geht, das ist landesüblich, darüber ist nichts zu klagen. Bloß daß es gerade mit dem Kaspar Pröckl sein muß, mit dem Schlawiner. Saublöd.
Er stand auf, schlürfte hin und her, seufzte. An den Wänden hingen Photographien, die er in seiner Jugend gemacht hatte, darstellend geschnitzte Sessel, Tische, eine erleuchtete Spiegelgalerie, eine Uhrkette mit vielen Anhängern, jedes einzelne Detail sorgsam ins Licht gerückt. Gegen seinen Willen mußte Herr Cajetan Lechner auf einmal wieder an das Geschäft denken. »So ein Holländer, so ein zuwiderer«, schimpfte er vor sich hin.
Denn diesmal, das wußte er, ist es ernst. Wenn er diesmal den Schrein nicht verkauft, dann tut er es nie. Dann hat die Rosa unrecht gehabt, seine Selige, dann ist er ein Tepp, und recht haben dann die Kinder, die nicht lachen, aber ungläubige,verstockte Gesichter hermachen, sooft er versichert, daß er doch noch hochkommen wird. Wenn er diesmal den Schrein nicht verkauft, dann kriegt er das Haus niemals, das gelbe Haus in der Barerstraße, das Haus seines Herzens.
Im ganzen freilich, selbst wenn er das Kommoderl nicht verkauft, macht sich das Geschäft nicht schlecht. Er hat die Hotelportiers geschmiert, und mancher noble Fremde, von ihnen hergewiesen, läßt sich den weiten Weg zum Unteranger nicht reuen. Jetzt während der Inflation sind eine Masse Ausländer da, und Cajetan Lechner ist ein Schlauer, er verlangt unerhörte Preise. Aber das Schicksal, Cajetan Lechner, ist noch schlauer, und steigerst du deine Preise von einem Tag zum andern um das Dreifache, so ist das Geld, das du kriegst, in dieser Zeit um das Vierfache entwertet.
Cajetan Lechner schnob, schneuzte sich, hielt die Hände an den Ofen, legte nochmals nach, trotzdem ihm recht heiß war. Die Fremden zahlen gut; aber er hängt an seinen Sachen, er gibt sie ungern her. Wieviel Arbeit, umständliche Wege, Schweiß haben sie ihn gekostet. Er schnüffelt herum auf den Jahrmärkten, den Trödelmärkten, den sogenannten Dulten , er äugt in die Behausungen der Kleinbürger ringsum und der Bauern in der Umgebung. Einzelne Stücke sind da, Möbel, Sessel, Tische, Stühle, Vitrinen, Kommoden, die hat er direkt ins Herz geschlossen. Einiges, das hoffnungslos kaputt schien, hat er
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