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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nervös und grob. Gerade zu seinen Lieblingen. Da war etwa Herr Druckseis, Erfinder von Lärminstrumenten und Juxartikeln, der epochemachende Neuheiten auf seinem Gebiet lanciert hatte, beispielsweise eine Rolle Klosettpapier, die beim Abreißen der Blätter volkstümliche Melodien von sich gab, »Üb immer Treu und Redlichkeit« und »In einem kühlen Grunde«. Herr Pfaundler konnte sich nicht vorstellen, daß man bei einem ernsthaften, auf Qualität fundierten Fest ohne Herrn Druckseis auskommen könnte, und hatte ihn veranlaßt, anläßlich des Balles der Nachtwandler einige besonders sinnreiche, unerwartete Melodien produzierende Apparate zu kreieren. Dennoch ließ er den verdienstvollen Erfinder, als der eine harmlose, berechtigte Frage stellte, mit Wucht abfahren.
    Herrn Pfaundler störte, daß, so viele Menschen von Rang und Namen auf seinem Feste waren, einer fehlte. Er war so weit gegangen, diesen einen durch ein persönliches Handschreiben einzuladen, trotzdem ihm das Schreiben schwerfiel. Aber der Fünfte Evangelist war das letztemal nicht gekommen, er kam auch heute nicht. Das kratzte Herrn Pfaundler. Er ließ den verdutzten Erfinder Druckseis hart an. Schimpfte dann laut vor sich hin, daß der lätschige Herr Hessreiter noch nicht da war und die dicke Frau von Radolny. Diese Bagage, die ihr Leben lang faul auf dem Hintern hocken kann, ist immer am unpünktlichsten.
    Als die beiden reichlich verspätet erschienen, stellte sich heraus, daß es für ihre Verzögerung triftige Gründe gab. Sie hatten nämlich gehofft, diesmal den Kronprinzen Maximilian mitbringen zu können. Aber der hatte im letzten Augenblick unvermutet abreisen müssen. »Die politische Lage«, erklärte Herr Hessreiter umständlich, verschwommen, dunkel. Soviel Herr Pfaundler erkannte, hatten die Führer der Linksparteien in geheimer Sitzung beschlossen, einen Volksentscheid herbeizuführen über die Vermögensenteignung der früher regierenden Fürsten, und der Prinz, nach langen Telefongesprächen mit dem Grafen Rothenkamp und mit dem Ökonomen Bichler, war noch am späten Abend nach München gefahren.
    Herr Pfaundler hatte Herrn Hessreiter und seine Freundin an ihren Tisch geführt. Er beschaute Frau von Radolny. Bezog sie nicht eine Rente, die unter die zu enteignenden Werte fiel? War sie nicht unmittelbar betroffen von dem Beschluß der Linksparteien? Anmerken ließ sie sich nichts. Sie saß da, gelassen, fürstlich, umgeben von Respekt, das kupferne Haar prangend über dem großen Gesicht, mit vollen, nackten Armen, prachtvoll anzuschauen, in einem schwarzen Kleid, barbarisch mit Edelsteinen und riesigem Schmuck bestickt. Sie stellte heute eine fernöstliche Göttin der Nacht dar. Sie nahm Anteil am Gespräch, erwiderte ruhevoll freundlich die vielen Grüße aus dem lärmenden, fröhlichen Saal.
    Innerlich war sie voll Panik. Das Enteignungsgesetz. Sie hatte die Revolution mit Ruhe überdauert, voll heimlichen Spottes über die einfältigen Aufrührer, die sich mit der Änderung der aufgeklebten Etikette begnügten, ohne, Rindviecher, die sie waren, die wirkliche Macht, den Besitz, anzutasten. Jetzt auf einmal nach so langer Zeit kamen sie darauf. War das möglich? Durfte das sein? Das Eigentum ernstlich umstürzen wollen, die Heiligkeit des Besitzes. In Deutschland. In Bayern! Daß man den Gedanken nur erwog, war schon ausgeschämt, jenseits aller Vorstellungen. Mächtig im Fleische thronte sie, erwiderte respektvolle Grüße, machte gelassene Scherze, aber im Herzen war sie ausgehöhlt, hilflos. Hatte nicht schon einer was gemerkt? Begann man nicht aufzumucken? Sie kannte die Welt. Den Erfolglosen verließen alle, sie fand das natürlich.
    Sie beschaute Herrn Hessreiter, der an ihrer Seite saß. Er war ganz in Schwarz, trug schwarzatlassene Kniehosen, lange schwarze Strümpfe, eine schwarz Weste, hoch um den Hals schließend, eine mächtige Perle darin. Er erklärte sich für Die Nacht schlechtweg, bemühte sich, eine Gestalt zu sein des vor hundert Jahren verstorbenen deutschen Erzählers E. T. A. Hoffmann, den er sehr schätzte. Sah aus wie ein etwas beleibtes, distinguiertes Gespenst. Er konnte seine Nervosität nicht verstecken. Sie kannte ihn, sie wußte, daß daran nicht die schamlose politische Aktion dieser Trottel schuld war. Er suchte jemanden, den er bisher nicht erspäht hatte. Sie war sonst eine ruhige Dame und gönnte ihm seine Freuden: heute ärgerte sie sich. Es war gemein von ihm, wegen des Enteignungsgesetzes

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