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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Seine frühere Produktion hatte er verkauft;es waren nur mehr Reste da, Nebenarbeiten, nicht recht geglückte, beiläufige. Die Konjunktur ließ nach. Neues fiel dem Greiderer wenig ein. Das rauschende Leben bekam ihm nicht. Er schaute zuweilen recht müde aus seinem faltigen, listigen Bauerngesicht. Er war Fatalist. Es ist schlecht gegangen, es ist gut gegangen. Wenn es jetzt wieder schlecht gehen wird, wird es später wieder besser gehen. An einen inneren Zusammenhang zwischen der Qualität seiner Bilder und ihrem Erfolg glaubte er nicht. Jedenfalls, vorläufig ging es noch. Warum es nicht ausnützen?
    Der Professor von Osternacher gesellte sich zu ihm, stattlich und dekorativ im schwarzen Kostüm eines spanischen Granden. Das Schicksal des von dem Manne Krüger, der ihn als Dekorateur bezeichnet hatte, hochgepriesenen Greiderer war ihm eine innere Bestätigung. Sie setzten sich zusammen, der halbnackte bayrische Orpheus mit seinen lymphatischen Vorstadtmädchen und der repräsentative, schwarzsamtene bayrische Grande. Der Grande nahm eines der Haserln auf den Schoß, flößte ihm Sekt ein, erkundigte sich nach den Plänen des Kollegen. Der jammerte über die Konjunktur. Hühnerhöfe und Crucifixi gingen am besten. Er aber wolle einmal etwas ganz anderes machen. Er denke daran, zum Beispiel eine Gestalt des bayrischen Bauerntheaters zu malen, so was wie einen Oberfernbacher Apostel , was Bäurisches und Pathetisch-Biblisches zugleich. Das sei Hühnerhof und Crucifixus in einem. Ob der Herr Kollege nicht glaube, das müsse ihm liegen? Der Professor Balthasar von Osternacher ließ langsam das Haserl vom Schoß gleiten, schwieg. Das allerdings, meditierte er, könnte dem Maler Greiderer glücken, das könnte ihm, wie er ihn kannte, neuen Auftrieb geben. Herr von Osternacher schluckte, drückte herum, trank, überlegte. »Ja, das Theater«, sagte er träumerisch. »Wir Bayern haben immer unsere Vorliebe für Komödie gehabt.« Er dachte an die Möglichkeiten, die ein großer Realist hätte, der wirklich einen Bauernspieler malte, seinen ungelenken Aufschwung, seine arme und beflissene Vorstellung vom Erhabenen.Sorgfältig wischte er sich den Samtmantel des Granden, den der betrunkene Kollege besabbert hatte.
    Herr Hessreiter unterdes suchte weiter durch das Getriebe der kostümierten und unkostümierten Abenteurer, reichen Damen, großen und kleinen Huren, durch rotbefrackte, unter bäurischen Teufelsfratzen schwitzende Musiker, Kellner, durch die Eintänzer, die heute ihren ganz großen Tag hatten, durch die Instrumente des Erfinders Druckseis, durch leisen Flirt, lärmende bayrische Gemütlichkeit, norddeutsches Geschnauze, durch Papierschlangen, Schrammelmusik, tausenderlei Flitter, durch kleine, gekitzelte Frauenschreie, durch hysterisches und derb saftiges Amüsement, durch die ganze phantastisch zurechtgemachte »Puderdose«.
    Wie er endlich Johanna fand, spürte er einen Stich. Sie saß in dem kleinen Spielsaal, in dem er sie damals an seiner Bank hatte teilnehmen lassen und der heute die groteske Ödnis der Mondlandschaft darstellte. Dort, in einer Ecke, in einem besonders lauschigen Winkel, unter der Inschrift: »Auf Erden geht’s jetzt sakrisch zu, / Auf dem Mond ist königlich bayrische Ruh.« Dort also saß Johanna, und zwar mit zwei Burschen, deren einen Herr Hessreiter kannte. Denn dieser eine war der Geschworene von Dellmaier, der windige von Dellmaier, der Versicherungsagent, Unternehmer auch von zahllosen sonstigen kleinen, düsteren Geschäften. Der andere war ihm ähnlich, nur vielleicht acht Jahre jünger, sehr jung, mit dem gleichen, herausfordernden, mokanten Gehabe, den gleichen, wässerigen Augen. Das heißt, die Augen waren eigentlich anders. Sie sammelten sich plötzlich, konzentrierten sich, packten zu. Wo nur hatte Herr Hessreiter die Augen schon gesehen?
    Wie konnte sich Johanna mit diesen Burschen zusammensetzen? Wie konnte sie mit ihnen lachen, schwatzen, eingehen auf ihr Gemecker, auf dieses gemacht Weltmännische? Ein Mädchen wie sie. Herr Hessreiter betrachtete gierig, schwärmend wie ein Gymnasiast, ihr breites, offenes Gesicht, auf dem jede Regung kam und ging. Ein Mensch warsie, der kräftig und fanatisch zu seiner Sache stand, ohne Krampf. Eine Münchnerin, eine Landsmännin, auf die man stolz sein durfte. Beharrlich, von innerem Anstand, mit unverstelltem Zorn, der keine billige Regung war, sondern vorhielt. Die dichten Augenbrauen, feinhaarig, so daß sie klar in der breiten

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