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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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einhakte, um beim Forte in kräftigem Marschschritt aufeinander loszugehen. Die Musik tobte. Der schwarzsamtene Grande Osternacher war nicht mehr alt. Er hob während dieses ganzen Teils seine Tänzerin, die tiefrote Orchidee Fanny De Lucca, hoch in die Luft, drehte die Strampelnde, Lachende, Schreiende, Atemlose um seinen Kopf, besessen, mit angeschwollenen Adern. Ein langes, nicht abreißendes, jauchzendes Schreien war im Saal. Johanna wehrte sich nicht mehr gegen Tüverlin. Sie spürte beglückt jenes Gefühl des Wartens sich lösen, das immer in ihr war bei der Vorstellung des Mannes Tüverlin. Den ganzen Abend hatte sie, eigentlich seit jener Unterredung mit dem Prinzen Maximilian ununterbrochen, auf ihn gewartet. Sie ließ es zu, daß er sich nach beendetem Tanz einfach von derInsarowa abkehrte, sich mit ihr in einen der vielen lauschigen Winkel zurückzog.
    Sie saß da, erregt von Tanz, Hitze, Fest, Männern und insbesondere dem Manne vor ihr. Kein leisester Gedanke war in ihr an den Mann Krüger, nicht an den vergnügt ulkenden von vor vier Jahren und nicht an den graugesichtigen hinter dem Gitter. Sie sah den altklugen, zerknitterten Kopf Jacques Tüverlins mit dem vorspringenden Oberkiefer, seine kräftigen, rötlich behaarten, sommersprossigen Hände, wie er, elegant, schlenkerig, locker und doch beflissen in seinem Smoking dasaß, sie sehr begehrend. Sein nacktes, clownhaftes Jungensgesicht bemühte sich, treuherzig zu sein und nur wenig spöttisch. Sie war ihm sehr nahe, wußte: nun wird sie gleich zu ihm reden können.
    Da gingen die beiden Windigen vorbei, leicht grinsend.
    Und plötzlich, unvermittelt, waren alle die alten Gedanken, vor einer Sekunde noch Ewigkeiten fort von ihr, wieder da: das Zeitungsgewäsch, der aussichtslose, endlose Kampf um Martin Krüger, jetzt ihren Mann. Fast körperlich war das da, saß mit am Tisch. So plötzlich riß die Verbindung mit Tüverlin, daß der, sonst kein scharfer Beobachter solcher Regungen, zusammenzuckte, aufsah.
    Während sie am liebsten mit Jacques Tüverlin weggegangen wäre, irgendwohin, fort von Garmisch, in eine große Stadt, in ein verlorenes Schneedorf, auf sein Zimmer, in sein Bett, sagte sie ihm jetzt bösartige Dinge, bestimmt, ihn zu kratzen. Gegen ihren Willen. Doch sie konnte nicht anders. Das, was mit am Tisch saß, duldete es nicht anders.
    Tüverlin hatte von den Erbstreitigkeiten mit seinem Bruder erzählt. War es nicht komisch, wenn jemand, der über alle andern im weiten Umkreis so scharfe, kritische Dinge vorbrachte, über die Ordnung ihrer Geschäfte, über die Ordnung des Staates, war es nicht komisch, fragte sie, wenn der bei der Ordnung seiner eigenen Geschäfte so jämmerlich versagte? War es nicht ein wenig komisch, wenn jemand, der sich so viel auf seinen gesunden Menschenverstand zugut tat,erst dann sich um sein Geld scherte, wenn es zu spät war? Sie fand kein Ende. Sie hatte das Gefühl, daß ihre andern Gedanken, der zum Beispiel an den Mann Krüger, daß das, was mit am Tisch saß, sich verflüchtigte, wenn sie bösartig auf Tüverlin einhackte. »Früher«, sagte sie, »als Sie mit der Aufmerksamkeit einer Viertelstunde Hunderttausende hätten retten können, haben Sie sich nicht um Ihr Geld gekümmert. Sie reden von der Lebensuntüchtigkeit der andern. Was haben Sie selber gemacht? Wenn es nicht Snobisterei war, Verlogenheit, Affektiertheit, war es nicht in jedem Fall einsichtsloser als das, was die andern tun? Die haben es schwer. Die sitzen und müssen zusehen, wie ihnen durch die Entwertung des Geldes ihr Vermögen zerschmilzt. Sie, Tüverlin, mit Ihrer Valuta hatten es besser und haben es dümmer gemacht als alle andern. Andere werden mit dem Staat fertig, Sie nicht einmal mit Ihrem Bruder. Ein Literat sind Sie, Tüverlin, ein Snob, überheblich. In der kleinsten praktischen Sache ist Ihnen jeder Droschkenchauffeur überlegen.«
    Herr Tüverlin hörte sich das an. Er machte freundliche, mildspöttische, zaghafte Einwände. Er begehrte sie sehr, er hätte sie am liebsten geprügelt, er ärgerte sich schrecklich über sie. Sie selber litt unter ihrer albernen Bosheit; aber sie konnte nicht aufhören. Im Gegenteil, sie begann, ihn immer übler aufzuziehen. Auch er erwiderte schärfer. Sie saßen kampfbereit, spähten einer nach der Blöße des andern, sich zu verwunden. Durchstöberten, was einem vom andern bekannt war. Gerieten an den Fall Krüger. Es erwies sich, daß Tüverlin sehr gut wußte, wie die Dinge standen,

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