Erfolg
mittlerweile drängt durch den Saal. Sucht. Ist besessen von der neuen, glücklichen Wendung. Strahlt. Sucht, wie ein und eine halbe Stunde vorher Herr Hessreiter gesucht hat, im Astrologischen Turm , auf dem Hexentanzboden , im Fegefeuer . Bis sie endlich auf Frau von Radolny stößt. Frau von Radolny liebelt in ihrer gelassenen Art mit dem Professor von Osternacher. Johanna unterbricht sie ungestüm. Katharina nächst Tüverlin ist die, die sich am meisten über ihr Glück freuen wird. Johanna teilt ihr überstürzt, nicht recht zusammenhängend, eigentlich unverständlich ihre gute Nachricht mit. Katharina, schnell von Begriff, versteht, schaut Johanna an aus ihrer götzenbildhaften Pracht heraus, ruhig, neugierig. Meint: »Na also, da gratulier ich. Hoffentlich geht es auch gut aus.« Und wendet sich wieder dem schwarzsamtenen Granden Osternacher zu. Johanna schaut sie an, ihr breites, straffes, bräunliches Gesicht zuckt ein wenig. »Der Prozeß wird wiederaufgenommen«, wiederholt sie, nicht laut. »Jaja, ich habe verstanden«, sagt Frau von Radolny nochmals, eine Spur Ungeduld in der sonoren Stimme. »Hoffentlich geht es gut aus«, wiederholt sie, betont uninteressiert. Und: »Sagen Sie, lieber Professor«, spricht sie zu dem Schwarzsamtenen weiter.
Ja, Frau von Radolny ist sich über ihre Taktik klargeworden, hat Stellung bezogen. Sie kommt von ziemlich weit unten, sie hat sich hochgerappelt, es war nicht leicht, sie denkt nicht gerne daran. Jetzt ist sie oben, und jetzt will man ihr auf einmal ihre Sache wieder nehmen. Oh, sie wird sich wehren. Sie ist keine Scharfe, gewiß nicht, sie war immer tolerant. Aber, wenn man ihr ihr Geld nehmen will, da hört die Gemütlichkeit auf. Jetzt ist alles, was zu dieser Geldnehmerbande gehört, ihr Feind. Martin Krüger ihr Feind, Johanna ihre Feindin. Ihr die Rente nehmen. Sie hat nichts gegen Johanna. Das heißt, genaugesehen, ist das nicht wahr. Seitheute abend, seitdem vorhin Hessreiter auf solche Art mit Johanna vorbeigegangen ist, hat sie was gegen sie. Wer sich was zustecken will, was ihr gehört, ist ihr Feind. Sie wird auch das mit Paul klären. Sie vermeidet Szenen, wenn es möglich ist, sie hat sich mit Paul trotz seiner unklaren Art immer sehr gut verstanden. Aber jetzt, hier will sie rechtzeitig klare Sicht haben. Jedenfalls hat sie kein Interesse, aber durchaus keines, meine Liebe!, daß der Prozeß Krüger wiederaufgenommen wird. Sie trank von ihrem mit Rotwein gemischten Sekt, schaute freundlich in den von seinem Toben schon leicht ermüdeten Saal.
Johanna, wie Frau von Radolny sie stehenließ, begriff nicht. Sie hatte nicht einmal den starken Mund verpreßt wie sonst oder die Furchen des Unmuts. Sie machte zwei Schritte rückwärts, immer noch das Aug auf der Loge, wandte sich langsam, ging durch den Saal, ein wenig schleppend, blicklos, schwankend beinahe, daß wohl der ein oder andre glaubte, sie habe zuviel getrunken, und daß Herr Hessreiter, sehr gravitätisch nach wie vor in seinem erlesenen, leicht gespenstischen Kostüm, ängstlich neben ihr zottelte, fürchtend, sie werde im nächsten Augenblick zu Boden schlagen.
Die Nachricht von der geplanten Wiederaufnahme des Verfahrens hat sich verbreitet. Hessreiter erzählt davon dem, jenem. Seine Mitteilung wird kühl aufgenommen. Die Haltung Frau von Radolnys hat gewirkt, man hört mit Verlegenheit zu, mit teilnahmslosem Lächeln, mit erkrampftem, uninteressiertem »So, so, gratuliere«. Johanna fühlt sich elend. Warum begrinst man ihren Erfolg, zweifelt ihn auf lähmende Art an? Zuerst hatten doch alle ihr den Erfolg gewünscht. Sie verstand nur halb, spürte tiefen Widerwillen gegen die feigen, lätschigen, krampfhaft lustig vermummten Menschen ringsum.
Herr Hessreiter redete leise auf sie ein, vorsichtig, ganz dick voll Mitleid, Zärtlichkeit und Begierde. Folgte ihr, als sie nach dem Ausgang strebte, sich von niemand verabschiedend.
Seltsam dann, nachdem der Portier sie hinausgedreht hatte, vermummt in Pelze über ihren absonderlichen Kostümen,standen Johanna Krain und Herr Hessreiter unter einem eisig klaren Himmel mit einem stillen Halbmond und ruhigen Sternen.
Schlitten waren da. Herr Hessreiter hatte plötzlich eine Idee. Eifrig redete er ihr zu, nicht sogleich nach Haus zu gehn, sondern etwas hinauszufahren in die ruhige Nacht, sich auszulüften nach dem Lärm und dem Dunst des Festes. Er redete wichtig, mit rudernden Bewegungen. Er hätte gar nicht soviel Getue nötig gehabt: sie
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