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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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und natürlich auch, daß sie Krüger geheiratet hatte. Er mokierte sich über diese sentimentale Geste. Spielte Dinge gegen sie aus, die sie ihm vertrauend, und nur ihm, mitgeteilt hatte. »Machen wir uns doch nichts vor, Johanna Krain«, sagte er, »der Märtyrer Krüger ist für Sie längst ein Pechvogel geworden, ein Gleichgültiger, ein Irgendwer, dessen Schrift Sie nicht einmal zu analysieren wagen, um sich nicht selber zu desavouieren.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, rief er den Kellner,bestellte neuen Sekt, sagte, er habe mit Herrn Pfaundler zu sprechen, zahlte, stand auf, ließ sie allein mit dem Sekt.
    Unterdessen drückte sich der Schriftsteller Dr. Pfisterer verdrossen, beschäftigt, in schweren Gedanken im Saal herum. Die Unterredung mit dem Kronprinzen hatte seinen baufällig gewordenen Glauben an sein biederes Volk neu gestützt. Aber jetzt war der Kronprinz abgereist. Ein so wackerer, kernfester Mann, und hatte doch, sah man genau hin, nicht zu seinem Königswort gestanden. Hatte für Johanna nur Phrasen gehabt wie alle. Unrecht geschah, wurde geduldet von allen, alle deckten es, alle hehlten. Den schweren, rötlichgrauen Kopf gesenkt, strich der stämmige Mann durch den Saal, der Frack saß fremdartig um den ungefügen Körper, grotesk umwallte ihn der Venezianermantel. Seine kleine, rundliche, betuliche Frau segelte besorgt und geschäftig um ihn herum. Er atmete schwer, er hatte keine Freude an diesem Ball. Nach Hause wollte er erst recht nicht. Dort warteten etliche lebfrische Zenzis, Seppln, Vronis darauf, von ihm fertiggeschnitzt zu werden. Sie werden geraten, selbstverständlich, er hatte die Handfertigkeit; aber sie machten ihm heute keinen Spaß.
    Er geriet ins Bierstüberl, an den Tisch des Orpheus Greiderer. Der gluckste, nannte Pfisterer anerkennend den Bayrischen Obergemütlichkeitsverschleißer . Wies hin auf das weißblaue Rautenwerk an den Wänden. »Weißblau ist bayrisch«, erklärte er nachdrücklich, überzeugt, bedeutungsvoll. Die beiden Männer dampften Lob einer für den anderen. Vertraulich setzte der Maler Greiderer dem Herrn Nachbar auseinander, wie fad das Produzieren sei. Herr Pfisterer nickte nachdenklich Zustimmung. Allein gerade diese Zustimmung reizte den Greiderer. Er schlug plötzlich um, wurde bösartig, seine kleinen Augen schauten tückisch, vergnügt aus dem hartfältigen Bauerngesicht. Leise, hinterhältig, mit seiner knarrenden, unverbindlichen Stimme sagte er: »Sehen Sie, Herr Nachbar, Sie müssen bedenken, es gibt zwei Arten von Wirkung: eine breite und eine tiefe.« Dies wiederholte ermehrmals, hartnäckig, dem verwirrten Pfisterer auf den Schenkel schlagend bis der vollends trübsinnig wurde.
    Der Maler Greiderer aber begab sich auf die Toilette. Undeutlich hin und her schwankend, stand er, sein Orpheuskostüm war in Unordnung geraten. Sich festhaltend an dem Besenstiel mit dem Pinienzapfen, übergab er sich. In den Pausen sprach er auf den Landesgerichtsdirektor Hartl ein. Er wisse, die Großkopfigen hätten ihn, den Greiderer, nie recht leiden können. Aber jetzt habe er doch Erfolg, und jetzt solle man gemütlich sein. Weißblau sei bayrisch, grün schissen die Maikäfer. Der hohe Herr Gerichtshof sei ein feiner Hund, er müsse jetzt noch mit ihm und den Haserln Schampus trinken. Dr. Hartl hört zu, ein wenig umnebelt auch er, die Verderbtheit dieser republikanischen Zeit philosophisch, leicht traurig belächelnd. »Cacatum non est pictum«, wies er den Maler zurecht.
    Johanna, als Tüverlin sie allein ließ, saß, die Oberlippe eingeklemmt, blaß. Das hatte sie doch nicht gewollt. Sie hatte sich auf den Abend gefreut, war sicher, bei dieser Gelegenheit die dumme Geschichte mit Tüverlin wieder einzurenken. Jetzt hatte sie durch ihre maßlose Albernheit alles vollends kaputt gemacht. Dabei hatte er recht. Sie war sich selber zuwider, weil sie sich so unsagbar blöd benommen hatte, und er war ihr zuwider, weil er recht hatte. Wie übrigens stand es denn um ihre eigenen Geldverhältnisse? Viel trüber und verworrener als um die seinen.
    In ihre Wut, Reue, Scham hinein glitt schwarz und behutsam ein distinguiertes, leicht beleibtes Gespenst: Herr Hessreiter. Er hatte einen Fehler gemacht damals mit der Besichtigung der Süddeutschen Keramiken. Er sah das ein, alle Schuld lag an ihm. Jetzt saß sie da, bedrückt offenbar, trostbedürftig. Es war die rechte Gelegenheit, den Fehler gutzumachen. Es wurde ihm warm, wie er sie so sitzen sah. Er spürte beglückt,

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