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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sie begehrend, schwer und doch zart, brodelnd in etwas abstrusen Gedanken, mit dem beweglichen, scharfen Tüverlin. »Was halten Sie von Tüverlin?« fragte sie unvermittelt. Herr Hessreiter schrak geradezu zusammen, gab eine ausweichende Antwort. Johanna bestand.
    Es stellte sich heraus, daß Herr Tüverlin Herrn Hessreiter nicht sehr gefiel. Er drückte herum, sprach halbe Sätze, die er durch rudernde, weite Handbewegungen ergänzte. Schwitzte. Deutete endlich gewunden an, er habe immer geglaubt, Johanna sei befreundet mit Tüverlin.
    Befreundet? Was das heiße?
    Halt befreundet .
    Er saß betreten da, sich windend, schuldbewußt. Sie hatte plötzlich Mitleid mit dem schwitzenden, schleierigen Mann. Da hatte er also geglaubt, sie schlafe mit dem andern. Aber er hatte sich nichts merken lassen, war demütig, dienstbeflissen, fröhlich um sie herum gewesen, sich begnügend mit ihrer Nähe. Ein reicher Herr von Einfluß, verwöhnt von den Frauen. Der einzige, der wirklich etwas für sie getan hat. Und das ohne große Gesten, fast sich genierend vor ihr. Sie warauf einmal gerührt, ja erschüttert davon. Sie dachte nicht mehr an die Gnomen und Fliegenpilze, der säuerliche Geruch war fort. Sie nahm seine fleischige, gepflegte Hand, streichelte sie mit ihrer großporigen, festen. Da begann der schwere Mann zu zittern und verstummte vollends. Sie saßen in dem spärlich belichteten, ungemütlichen Raum, in einer Ecke, es war nicht warm, der Tee war dünn, schlecht zubereitet. In diesem Saal, nach einer durchtanzten, durchärgerten Nacht, in einem seltsamen Kostüm, fast zwanzig Stunden Wachen, auf beginnendem Abstieg seines Lebens schon, fühlte sich Herr Hessreiter beglückt und verwirrt wie als Jüngling, im Innersten angerührt von der Frau neben ihm. Er war bereit, für diese Frau mit dem blühenden, warmen Fleisch, den grauen, tapferen, unvorsichtigen Augen Opfer zu bringen, selbst, wenn es sein mußte, sein behagliches Leben aufzugeben. Er spürte, zum drittenmal in seinem Leben, wirkliche Leidenschaft, wie er sie einmal sehr jung gespürt hatte, dann ein zweites Mal, als er Katharina kennenlernte. Er spürte: dieses war das letztemal. Verwirrt, dankbar, sehr behutsam erwiderte er die Berührung ihrer Hand.
    Der Hausdiener erschien in der Tür, sagte, die Zimmer seien fertig, brachte sie hinauf. Sie erstiegen eine nicht aufhörende, mit einem groben, roten Läufer belegte Treppe. Sagten sich, mit Blick, doch flüchtig, gute Nacht. Sie ließ es zu, daß er, kaum war der Hausdiener verschwunden, in ihr Zimmer kam.
    Während der Schriftsteller Jacques Tüverlin nach einigen Gedanken an die Revue »Kasperl im Klassenkampf« gut und traumlos im Palace-Hotel in Garmisch schlief, während der Mann Krüger graugesichtig und schlaff in seiner Zelle in Odelsberg lag, die in dieser Nacht leer von Träumen war,
    während der Minister Klenk kräftig gesund, aus gutem Gewissen heraus leicht schnarchte, während der Rechtsanwalt Geyer in verrenkter, unbequemer Haltung, die Decke zurückgeworfen, das gerötete Gesicht an zerknäulten Kissen rieb,
    während Herr Pfaundler müde, befriedigt, schimpfend die Ausweise seiner Kassierer nachprüfte,
    während man die letzte Hand legte an die Arbeiten zur Wiedererschließung der Teufelsklamm und die leitenden Ingenieure sehr befriedigt waren, daß bei den neun Tage dauernden Arbeiten nur zwei Unfälle unterlaufen waren, davon nur einer mit tödlichem Ausgang,
    lag Johanna Krain-Krüger neben dem schlafenden Hessreiter. Der hatte den Mund leicht offen, atmete gleichmäßig, sah friedsam, bequem, eigentlich glücklich aus. Sie fühlte sich ruhig, träge, satt. Sie lag auf dem Rücken; fast unhörbar zwischen Lippen und Zähnen summte sie leise vor sich hin. Immer die gleichen altmodischen Takte, nicht sehr musikalisch, unermüdlich, befriedigt. In halb undeutlichen und jedenfalls nicht unangenehmen Gedanken, unter denen auch Gedanken an den Mann Krüger und den Mann Tüverlin waren.
    Ziemlich früh am Morgen, als die Stubenmädchen des Hotels Post in Griesau sich durch den Wecker aus dem Schlaf scheuchen ließen und ächzend und schimpfend aufstanden, dehnte sich auch der Mann Hessreiter, wachte halb auf. Lag mit geschlossenen Augen, dämmernd, glücklich. Wie tief- und sattbefriedigt war er, während er sonst nach lauem Genuß ziemlich leer herumflackte, voll Sehnsucht, sich auszuschlafen, und befriedigt eigentlich nur darüber, daß nun wieder dieser halb als Pflicht empfundene Genuß

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