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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nickte einfach, stieg ein.
    Im Schlitten umsorgte er sie mit kleinen, überflüssigen Maßnahmen. Sie saß warm unter der riesigen Pelzdecke, mit abebbenden Gedanken, zufrieden, behütet zu sein. Lautlos glitt, nicht sehr schnell, der Schlitten durch die Schneelandschaft. Gefühllos, urweltlich stand der Zirkus der Berge in dem gleichmäßigen Licht des halben Mondes, in beruhigender Unabänderlichkeit nach dem willkürlichen Gezappel in der »Puderdose«. Befriedung floß aus der milden, kalten Stille, der stummen Bewegung des Schlittens. Die Hinterbacken der Pferde hoben sich gleichmäßig vor dem breiten Rücken des Kutschers. Herr Hessreiter schwieg. Aus seinem runden, halboffenen Mund kam wolkig der Atem. Zärtlich aus seinen braunen, schleierigen Augen von der Seite sah er auf das Mädchen.
    Die Fahrstraße führte am obern Rand einer Schlucht, einer tiefen Klamm, der Teufelsklamm. Unten durch diese Schlucht waren kunstvolle Wege geführt. Verklammerte Holzplanken, Steige, in die ungeheuer hohen zerrissenen Felswände eingehaut, Tunnels in den Stein gebohrt, überstäubt von den stürzenden Wassern des Falles. Jetzt war alles vereist, Teile des Geländers abgebrochen, der Winter hatte die kühnen, listigen Wege durch die Schlucht unpassierbar gemacht. Aber die Klamm sollte den Fremden erschlossen bleiben, für morgen war Wiedereröffnung versprochen. Jetzt in der Nacht werkten Scharen von Arbeitern, damit der versprochene Wiedereröffnungstermin eingehalten werde. Sie hingen an den vereisten Felsen, flackerig belichtet von Notlampen, sehr gefährdetauf dem glatten Felsen, der jeden unvorsichtigen Tritt mit Absturz und Zerschmetterung bedrohte. Gehalten von andern, angeschnallt, hingen welche, andere standen auf Klettereisen, hämmernd, schmiedend, festigend, damit am kommenden Tag zwischen dem Mokka des Lunchs und dem Tanztee die Fremden die Eiswunder der Schlucht wieder gefahrlos passieren könnten.
    Die Arbeitenden winkten und riefen den späten Schlittenfahrern vergnügt hinauf, sie fanden ihre Arbeit durchaus selbstverständlich. Herr Hessreiter rief muntere Antworten zurück in ihrem Sinn und in ihrer Mundart. Er dachte währenddes, fast ängstlich gespannt, hoffentlich werde Johanna nicht umkehren wollen, ehe man nach Griesau kam. Sie fröstelte, war müde, aufgelöst von Hoffnung, Enttäuschung, Erlebnis. Er zog sie sacht näher an sich heran. Sie lehnte ohne weiteres den Kopf an seinen Pelz. Er atmete stärker, spürte sein Herz. Ihre Gegenwart beschwingte seine Phantasie. Er dachte an eine ungeheure Ausdehnung seines Betriebs, er wird mit Johanna eine Geschäftsreise machen, die keramischen Fabriken Südfrankreichs besichtigen. Die billige Arbeitskraft der deutschen Inflation, die künstlerische und die manuelle, gibt ihm die Möglichkeit eines unerhörten Dumpings. Er wird den Westen Amerikas erobern. Jedem Farmer seine Münchner Keramik. Er wird die Projekte des Bildhauers der Serie »Stierkampf« ausführen. Die Ausdehnung des Kitschbetriebs wird es ihm erlauben, ernsthafte Kunst zu machen. Die Süddeutschen Keramiken Ludwig Hessreiter & Sohn werden ihre Einflußsphäre ausdehnen von Moskau bis New York.
    Man kam nach Griesau. Der Kutscher fragte, ob er umkehren solle. Das Hotel lag dunkel in dem weiten, überschneiten Talgrund. Hessreiter schaute auf die müde Frau, die an seinem Pelz lehnte. Etwas unsicher, doch gewollt forsch und selbstverständlich sagte er zu dem Kutscher, er solle läuten. Nach langen Minuten kam ein verschlafener Hausknecht, unwirsch, da es nicht einmal Amerikaner mithochwertigem Geld waren, die ihn herauszuklingeln wagten. Ein dickes Trinkgeld Hessreiters machte ihn geschmeidig. Ja, die Herrschaften konnten heißen Tee kriegen. Johanna hatte mit keinem Wort zugestimmt oder abgelehnt. Der große Saal lag sonderbar leblos, der Mann hatte nur einen Teil der Beleuchtung aufgedreht. Sie saßen verloren in einer Ecke, zusammengehörig durch die Weite des Saals und das spärliche Licht. Nach der langen Fahrt taute die Lauheit des Raums die steifen Gliedmaßen wohlig auf. Nein, es hatte keinen Sinn, wieder zurückzufahren. Herr Hessreiter bestellte Zimmer. Johanna sah ihn an, müde, ohne Abwehr, sie wußte jetzt offenbar genau, worum es ging.
    Der Tee kam, rann angenehm durch den Leib. Herr Hessreiter redete eine Weile lebhaft; dann wurde er stiller, seine Augen schleierten sich noch mehr. Johanna verglich den Mann, der neben ihr saß, sonderbar verschollen, elegant, sie umsorgend,

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