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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Wiederaufnahmeverfahren ist ausgeschlossen. Und verurteilt ist Johanna Krain.
    Dann, im Büro, redeten Förtsch und Gsell auf sie ein. Der Arzt legte dar, nur in den seltensten Fällen könne Angina pectoris frühzeitig diagnostiziert werden, und selbst dann gebe es kaum Heilmittel. Johanna stand vor den Männern, eisig stumm, die ganze Frau eine kalte Wut, die grauen Augen verdunkelt, die Oberlippe eingeklemmt. Den langen Weg hierher in dem ratternden Auto hatte sie sich eingehämmert: nicht durchgehen, seine fünf Sinne zusammenhalten. Förtsch, um über die Peinlichkeit wegzukommen, redete vielwortig. Brachte einige angemessene, getragene Sätze vor, die er sich zurechtgelegt hatte. Wiederholte sie in andern Wendungen. Erzählte, es sei ein reichlicher Nachlaß von Geschriebenem vorhanden; eine ausgedehnte literarische Hinterlassenschaft, sagte er. Dr. Gsell äußerte wieder einiges Theoretisches über Angina pectoris. Johanna schwieg beharrlich, schaute dem, der jeweils sprach, gradaus in die Augen. Schließlich, ohne die geringste Antwort, als wäre von den vielen Worten, die die beiden Herren geredet hatten, keines gewesen, erklärte sie, es sei ihr Wunsch, daß die Leiche so bald wie möglich aus der Anstalt herausgebracht werde. Auch bat sie, den Brotlaib aus der Zelle mitnehmen zu dürfen. Die beiden Herren atmeten auf, als sie fort war.
    Der Tod des Kunsthistorikers Krüger machte über die Grenzen hinaus peinliches Aufsehen. Es war nicht das erstemal, daß ein Mann von Namen in einem deutschen Gefängnis gestorben war unter Umständen, die den Arzt der Anstalt in der öffentlichen Meinung belasteten. Die Liga für Menschenrechte erstattete Anzeige gegen Dr. Gsell wegen fahrlässiger Tötung, andere Vereinigungen der Linksparteien schlossen sich an. Die Insassen von Odelsberg lehnten es ab,sich von diesem Arzt weiter behandeln zu lassen. Er selber beantragte ein Verfahren gegen sich. Die Staatsanwaltschaft, um das Gerede rasch zu kappen, ordnete sogleich die Öffnung der Leiche an. Sie wurde vorgenommen von dem zuständigen Amtsarzt. Ihr Ergebnis war, daß der Tod des Strafgefangenen Krüger auch von dem erfahrensten Arzt nicht hatte vorausgesehen und nicht hatte verhütet werden können. Der Staatsanwalt stellte das Verfahren ein.
    Die bayrische Regierung ließ sich das Geschrei wenig kümmern. Sie war Anwürfe wegen der Unvollkommenheit ihres Justizapparats gewöhnt. Das Abkommen mit der Kalifornischen Landwirtschaftsbank war paraphiert. Aktenmäßig war alles in Ordnung. Der Justizminister Hartl strahlte. Beinahe wäre er, infolge dieser amerikanischen Anleihe, gezwungen gewesen, den von ihm selbst Verurteilten zu amnestieren. Jetzt wurde dieses Urteil vom Himmel, von der Vorsehung selber gewissermaßen, bestätigt.
    Der Finger Gottes, dachten auch die Geschworenen des Volksgerichts, das damals den Spruch gefällt hatte, der Gymnasiallehrer Feichtinger, der Handschuhhändler Dirmoser. Sie erinnerten sich, wie frech und ungebärdig der Angeklagte Krüger vor seinen Richtern gewesen war. Ein Herzleiden, überlegte der Briefträger Cortesi und stellte Erwägungen an, wie viele Briefträger infolge des Treppensteigens ihr Herzleiden weghatten.
    Johannas Absicht, den Toten verbrennen zu lassen, stieß auf Schwierigkeiten. Die kirchlichen Behörden, sich berufend auf Bibelstellen, unterstützt vom Staat, verlangten, daß man die Toten beerdige, nicht verbrenne. Man forderte von Johanna eine schriftliche Verfügung des Toten oder zumindest eine eidesstattliche Versicherung zweier Ohrenzeugen, daß Martin Krüger die Verbrennung seiner Leiche ausdrücklich gewünscht habe. Kaspar Pröckl hatte von dem Toten nie ein Wort darüber gehört, aber er stellte Johanna sogleich die gewünschte Erklärung aus. Wen noch konnte Johanna bitten? Sie rief kurzerhand Paul Hessreiter an. Herrn Hessreiterhatte die Unglücksnachricht in Bedrängnis gestürzt. Er war an der Sache Martin Krüger beteiligt gewesen: daß sie so jäh und übel ausging, war ein Fehlschlag für ihn persönlich. Wie jetzt Johanna sich an ihn wandte, hob ihn das. Er hatte den Mann nicht näher gekannt, geschweige denn ein Wort von ihm gehört, wie er bestattet zu werden wünsche. Ohne zu zögern, unterzeichnete er die eidesstattliche Versicherung.
    Die Vereine der Linken forderten auf, an der Bestattung Krügers teilzunehmen; viele Museen und Kunstgesellschaften des Reichs und des Auslands meldeten ihre Beteiligung an. Die Münchner Galerien, Hochschulen,

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