Erfolg
eingebogen, der Galerie Novodny zu, mußte sich zwingen, nicht ungebührlich schnell zu gehen. So kribbelig war er plötzlich darauf, die Bilder wiederzusehen, derenthalb er jetzt zusammen mit den fünf anderen Münchnern auf der Geschworenenbank im großen Saal des Justizpalastes saß.
Endlich stand er in der Galerie. Es war ihm heiß geworden, die Kühle des schattigen Raumes tat ihm wohl. Herr Novodny, der Besitzer, schwarz, klein, smart, führte den verständigen, sehr solventen Besucher erfreut sogleich zu den Bildern, vor denen eine kleine Gruppe Betrachter stand, scharf im Auge gehalten von zwei massig gebauten Individuen. Seiner Hauspolizei, wie Herr Novodny erzählte; denndie staatliche Polizei lehnte den Schutz der Gemälde ab. In seiner hurtigen, sprudelnden Art erzählte der Galeriebesitzer weiter. Die Aktion der bayrischen Regierung habe die Bilder noch mehr in Sicht gebracht, als selbst er erwartet hatte. Schon seien eine Reihe ansehnlicher Kaufangebote da. Es sei erstaunlich, wie der Maler Greiderer über Nacht Mode geworden sei, gesucht, bezahlt.
Herr Hessreiter kannte den Greiderer. Ein mittelmäßiger Maler, unter uns. Aber ein zünftiger Gesellschafter, von bäurisch liebenswerten Manieren. Er blies auf der Mundharmonika, auch schwierige Dinge, Brahms, den Rosenkavalier. In der Tiroler Weinstube hatte er das manchmal vorgeführt.
Herr Novodny lachte. Die Herren von der Tiroler Weinstube jedenfalls, die eingesessenen Münchner Maler mit ihrem fest abgesteckten Platz in der Kunstgeschichte und ihrem soliden Ruf bei bestimmten solventen Käuferschichten ärgerten sich grün und gelb über den jäh aufgetauchten Konkurrenten; denn seine Bilder gingen eigentlich dem Publikum genauso ein wie die ihren. Im übrigen spreche der Greiderer von seinem Erfolg naiv, entwaffnend beglückt, so daß jedermann, abgesehen eben von jenen Konkurrenten, ihm die Geschichte gönne. Viele Jahre unbeachtet in der Ecke, angejahrt, habe er Erfolg nicht mehr erwartet. Rührend sei, wie er jetzt seine alte Mutter, die sich mit Händen und Füßen dagegen sträubte, zwingen wolle, ihr Bäuerinnendasein in einem mittelalterlichen Dörfchen in das Leben einer städtischen Matrone zu verwandeln mit Auto, Chauffeur, Gesellschafterin.
Herr Hessreiter hörte unbehaglich zu. Die hurtigen Worte des Herrn Novodny störten ihn, er war froh, als der bewegliche Herr sich entfernte.
Herr Hessreiter beschaute das Bild des Malers Greiderer. Er verstand, daß dieser »Crucifixus« zarte Nerven irritierte. Aber, lieber Gott, die jetzt so schockierten Herren hatten doch sonst in vielen Fällen ganz robuste Nerven gezeigt, hatten den Krieg ohne merkbare Erschütterung überstanden,hatten in der Folge Dinge getan oder zumindest geschehen lassen, die in leitender Stelle mitzumachen einige Kaltblütigkeit erforderte. Zudem war ihnen sicher nicht unbekannt, daß es in allen und selbstverständlich auch in der Münchner Galerie eine große Reihe von Darstellungen des gemarterten Heilands gab, die auch nicht gerade übermäßig zahm wirkten.
Immerhin merkwürdig dieser Erfolg des Malers Greiderer. Weil der Kretin von einem Franz Flaucher den Krüger nicht leiden kann, hat der Maler Greiderer einen Erfolg und zwingt seine alte Mutter, sich aus einer zufriedenen Bäuerin in eine bemühte Großstädterin zu verwandeln. Nein, gut eingerichtet ist das nicht, irgend etwas stimmt da nicht.
Die Anna Elisabeth Haider, die Malerin des Akts, hatte ja nun nichts mehr von dem Aufsehen, das ihr Bild jetzt machte. Sie war tot, sie hatte sich auf üble Weise umgebracht, und nichts mehr war da von ihr außer diesem unappetitlichen Prozeß und diesem einen Bild. Denn sie war eine sonderbare Person gewesen, sie hatte ihre Bilder vernichtet. Und um dieses eine, das Martin Krüger gerettet hatte, war jetzt die schlechte Luft dieses widerlichen Prozesses.
Er beschaute das Selbstporträt, fühlte sich stark angerührt. Er verstand nicht, was an dem Bild Aufreizendes sein sollte. Was waren das für Männer, denen allein die Vorstellung, daß eine Frau sich auf solche Weise malen konnte, zur Aufgeilung genügte. Die Frau blickte mit einem verlorenen und gleichwohl gespannten Ausdruck, der nicht übermäßig schlanke und gewiß nicht geschmeichelte Hals war auf hilflose und rührende Art gereckt, die Brüste schwammen weich in der milchig zarten Luft des Bildes und schienen doch fest. Das Ganze war anatomisch exakt und zugleich poetisch. Sollen die braven Herren von der
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