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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Junisonne der Stadt München. Trotz des blanken Himmels und der leichten, frischen Luft der geliebten bayrischen Hochebene fühlte er sich nicht so vergnügt und befriedet mit sich, der Welt und seiner Stadt wie sonst. Er ging die breite Pappelallee der Leopoldstraße entlang zwischen Vorgärten und friedlichen Häusern. Blitzblaue Wagen der Straßenbahn klingelten fröhlich vorbei. Gewohnheitsmäßig sah er nach den Beinen der aufsteigenden Frauen, die die Mode der Zeit bis hoch hinauf freigab. Mit umständlicher, heute etwas gezwungener Munterkeit dankte er vielen Grüßen. Denn viele Leute grüßten ihn, manche sahen ihm mit Neid, die meisten mit Wohlwollen nach. Ja, der hatte es gut, der Hessreiter. Inhaber der ausgezeichnet gehenden Fabrik Süddeutsche Keramiken Ludwig Hessreiter & Sohn, von ererbtem Vermögen, aus geachteter Großbürgerfamilie, als guter, etwas behaglicher Sportsmann mit seinen zweiundvierzig Jahren sehr jung, ein famoser Gesellschafter, gefällig, jedermanns Spezi, einer der fünf eingeborenen Lebemänner der Stadt. Nirgends verkehrte man lieber als in seinem Haus an der Seestraße und in Luitpoldsbrunn, dem breit und reich geführten Besitz seiner Freundin.
    Herrn Hessreiters Vaterstadt München mit den Seen und Bergen ihrer Umgebung, mit ihren ansehnlichen Sammlungen, ihrer lichten, gemütlichen Architektur, mit ihrem Fasching und ihren Festen war die schönste Stadt des Reichs, Herrn Hessreiters Stadtteil Schwabing war der schönste Teil Münchens, Herrn Hessreiters Haus war das schönste in Schwabing, und Herr Hessreiter war der beste Mann in seinem Haus. Dennoch hatte er heute keine Lust an seinem Spaziergang. Er stand unter dem großen Siegestor, zu seinen Häupten die Bavaria mit ihrer Löwenquadriga, das mächtigeSinnbild des kleinen Landes. Seine braunen, schleierigen Augen blinzelten nachdenklich und beschäftigt in die besonnte Ludwigstraße, deren schöner, behaglich provinzialisierter Renaissancestil ihm nicht die Freude wie sonst machte. Er stützte sich in sonderbar benommener Haltung auf den elfenbeinernen Stock und sah, der gemeinhin so muntere Herr, nicht mehr jung aus.
    War es doch dieser damische Prozeß? Er hätte seinem ersten Antrieb folgen sollen, hätte keinen Geschworenen machen, gleich als er die Ladung bekam, unter irgendeinem Vorwand ablehnen sollen. Mitglied des feudalen Herrenklubs , auch durch seine Freundin, die Baronin Radolny, mit den Kreisen des früheren Hofes in mannigfacher Berührung, hatte er die Zusammenhänge und Hintergründe des Prozesses Krüger von Anfang an genau gekannt. Jetzt saß er mittendrin in dieser unsympathischen Geschichte. Saß, gestern, heute, morgen, in dem großen Schwurgerichtssaal im Justizpalast, in unmittelbarer Nähe des Landesgerichtsdirektors Hartl, des Dr. Krüger, des Rechtsanwaltes Geyer, an einem Tisch mit fünf anderen Geschworenen: dem Hoflieferanten Dirmoser, bei dem er seine Handschuhe zu kaufen pflegte, dem Altmöbelhändler Lechner, der ihm durch seine großen, gewürfelten Taschentücher, in die er sich oft und umständlich schneuzte, auf die Nerven ging, dem Gymnasiallehrer Feichtinger, der angestrengt, unglücklich und offenbar ohne jedes Verständnis aus seinen blassen Augen hinter einer großen Stahlbrille der Verhandlung folgte, dem Versicherungsagenten von Dellmaier, Angehörigen einer sehr alten und angesehenen Münchner Familie – eine Straße hieß sogar nach ihr –, doch nunmehr heruntergekommen, windig und geneigt zu ungewöhnlich platten Witzen, und schließlich dem Briefträger Cortesi, einem schweren, höflichen, beflissenen Menschen, der stark nach Schweiß roch. Er hatte nichts gegen diese fünf Männer, aber es war nicht angenehm, mit ihnen zusammen die Komparserie des Prozesses zu machen. Er interessierte sich wenig für Politik, und es schien ihm einstarkes Stück, einen Mann wegen eines Kavaliereids zu Fall zu bringen. Man sollte bei einer solchen Sache nicht mitmachen. Es war seine verflixte Neugier, die ihn in diese Schweinerei hineinbugsiert hatte. Immer mußte er Einblicke tun. Die Verstrickung dieses unseligen Mannes Krüger hatte ihn angezogen. Jetzt hatte er’s und konnte die schönen Junitage unbehaglich im Justizpalast versitzen.
    Er durchschritt das Siegestor, passierte die Universität. Aus den links liegenden, geistlicher Erziehung eingeräumten Gebäuden kamen in schwarzen Soutanen Theologiestudenten mit groben, stillen, bäurischen Köpfen. Ein uralter, lederhäutiger Professor

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