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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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an der Zeit. An seinem ursprünglich großen Vermögen zehrte die Geldentwertung; schon mußte er aus seiner Sammlung bayrischer Kuriositäten geliebte Gegenstände veräußern, um für sich und seine Frau standesgemäße Kleidung zu beschaffen. Aber es war weniger wegen der äußeren Not. Es war dies: Die Messerschmidts waren von querköpfiger Rechtlichkeit. Der Senatspräsident war einer der ganz wenigen, die sich verpflichtet gefühlt hatten, während der Hungerjahre des Kriegs sich nur an die erlaubten Rationen zu halten; ein Bruder von ihm, Ludwig vonMesserschmidt, Kapitän eines Minensuchschiffs, war umgekommen, da er, von den Engländern gefangen, auf ihrem Schiff schweigend auf ein Minenfeld losfuhr, das er selbst gelegt hatte. Anton von Messerschmidt quälte sich ab mit der bayrischen Gerechtigkeit, wie sie jetzt war. Er fand sich nicht zurecht. Ihn bekümmerten die vielen Urteile, die sich juristisch zulänglich begründen ließen, aber dem einfachen Empfinden über Recht und Unrecht zuwidergingen, die ganze Handhabung der Justiz, die allgemach aus einer Schutzvorrichtung für den gemeinen Mann Falle und Verstrickung wurde. Er wäre am liebsten von seinem Amt zurückgetreten und hätte mit seiner Frau, seinen bayrischen Altertümern und einem bißchen Musik ein zufriedenes Leben geführt. Aber sein Messerschmidtsches Pflichtgefühl erlaubte ihm das nicht.
    Er konnte nicht heiter werden in dieser Tafelrunde. Die Art, wie die Kollegen den vertrottelten Kahlenegger aufzogen, sagte ihm nicht zu. Die freche Hinaufdisziplinierung des reichen, ironischen Hartl paßte ihm nicht. Auch den Klenk konnte er nicht riechen. Der hatte seine Vorzüge, gewiß, war ein gescheiter, vaterlandsliebender Mann. Aber es fehlte ihm am rechten inneren Gleichgewicht für die schwierige Zeit. Nein, der Senatspräsident Messerschmidt hatte keine Freude an diesem Abend.
    Dem Klenk schien der alte Messerschmidt nicht der schlimmste. Er war ein Langsamer, eigentlich ein Tepp. Aber er war ein grader Mensch, und man konnte mit ihm wenigstens ab und zu über bayrische Altertümer reden. Doch die andern, was für hoffnungslose, papierene Esel. Jetzt waren sie schon wieder bei Gehaltsstufen, Kohlenpreisen. Das und ein paar Paragraphen, das war ihr Weltbild. Der Klenk liebte sein Land, sein Volk, aber er war kritisch für den einzelnen und heute ein rechter Menschenverächter. Dieser Kaninchenmäulige, der Förtsch, den er der Strafanstalt Odelsberg vorgesetzt hat, wie er ängstlich auf jede Äußerung von ihm luste, um den Mann Krüger je nach seinem, Klenks, Gesichtsausdruckstraffer oder lockerer zu halten. Der Hartl, der eingebildete, kokette Gigerl. Die Landesgerichtsdirektoren und Räte, diese traurigen Fachsimpel, diese blühenden Rindviecher, wie armselig ihre Gaudi war. Unendlicher Widerwille überkam ihn, sich immer verdichtende Langeweile. Nicht einmal sie zu frotzeln lohnte. Nein, es war schade um seinen Abend. Er gähnte mit einemmal erschreckend laut, ungeniert, sagte: »Entschuldigen Sie, meine Herren«, dröhnte hinaus, mächtig, in seinem Filzhut, die Herren betreten zurücklassend.
    Also dieser Teil des Abends war beschissen gewesen. Hoffentlich wird die Geschichte mit dem Flaucher amüsanter. Wozu sonst hat er den zuwideren Grantlhuber in der Regierung gelassen? Ja, warum wirklich hat er ihn nicht zum Teufel gejagt?
    Er hat eigentlich keinen Menschen, mit dem er über seine Angelegenheiten reden kann. Eine Ansprache sollte der Mensch haben. Seine Frau, die dürre, armselige Geiß, hat keine Ahnung von alldem, was er in diesen Tagen ausgerichtet, noch weniger, was er ausgestanden hat. Oder hat sie doch eine Ahnung? Sie ging in diesen letzten Tagen noch kläglicher, kümmerlicher, zerdrückter herum als sonst. Sein Bub, der Simon. Er hat lang nicht mehr an den Bams gedacht. Die Veronika, die Mutter, das Weiberts, die ihm auf seiner Besitzung Berchtoldszell die Wirtschaft führt, die hält das Maul und sagt kein Wort. Aber er hat Bericht. Von der Bank von Allertshausen, wohin er den Buben gesteckt hat, und auch von anderen. Er tut nicht gut, der Bub, er taugt nichts, er ist gar so ein Wilder. Ist jähzornig, fällt von einer damischen Sache in die andere. Jetzt hat er sich gar den Kutznerleuten angeschlossen, den Wahrhaft Deutschen, diesen Hornochsen. Lange wird das ja nicht dauern. Übrigens, je größer der Bub wird, um so mehr sieht er ihm ähnlich. Vielleicht sollte man sich doch mehr um ihn kümmern. Schmarren. Man kann

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