Erfolg
nicht in Stimmung«, sagte Pfaundler. »Ich muß ihr einmal wieder den Marsch blasen.« Frau von Radolny sagte: »Eigentlich muß Ihnen genausoviel an dem Enteignungsgesetz liegen wie mir, Klenk. Sogar mehr. Denn Sie sind ehrgeizig.« – »Wie heißt sie?« fragte Klenk. »Es ist die Insarowa«, sagte Pfaundler. »Haben Sie nie von ihr gehört?« Nein, Klenk hatte sie nie gesehen. Der Tanz ging mit schwachem Beifall zu Ende. Man sprach von anderem. »Tritt sie noch einmal auf?« fragte später Klenk. »Wer?« sagte Pfaundler. »Diese, diese, wie heißt sie, Ihre Russin?« – »Nein«, sagte Pfaundler. »Wir müssen hier ja leider um zwölf Uhr Schluß machen. Aber sie wird nebenan sein im Einuhrklub.« – »Schicke Person, was?« sagte der Landsknechtführer Toni Riedler, besitzerhaftes Lächeln in dem frechen, hübschen Gesicht. Klenk sprach mit Frau von Radolny. Später sagte er dem Landsknechtführer: »Sie würden übrigens uns allen und sich selber einen Gefallen tun, wenn Sie den Major von Guenther auf Ihrem Gut ein bißchen unsichtbar machten.« – »Den Major von Guenther?« fragte Toni Riedler zurück. »Wenn es mir Spaß macht, lieber Klenk, wie wollen Sie den Guenther verhindern, sichtbar zu sein?« Er schaute ihm aus seinen braunen Augen, auch ihr Weiß spielte ins Bräunliche, frech ins Gesicht. »Man kann einen Mann verhaften, zum Beispiel wegen Meineids«, sagte Klenk recht unverbindlich. Das gewalttätige Gesicht des Barons Riedler lief rot an. »Das möchte ich gerne sehen, ob einer den Guenther vor dem Jüngsten Gericht verhaftet«, sagte er. »Kommen Sienoch in den Einuhrklub?« fragte Frau von Radolny. »Ja, ich komme«, sagte Klenk. Auch der Landsknechtführer schloß sich an.
Der Einuhrklub erwies sich als ein viereckiges, kleines, ungemütlich belichtetes Lokal mit den gleichen Gästen, Kleinkünstlern und Kellnern wie Pfaundlers Kabarett. Die Insarowa kam an den Tisch. »Können Sie nicht noch fauler tanzen?« fuhr Pfaundler sie an. »Sie haben heute wie ein Schwein gearbeitet.« – »Wie wer?« fragte die Insarowa. Klenk lachte ihr beifällig zu. »Wie behandeln Sie denn Ihre Leute, Pfaundler«, sagte er. »Da muß man ja einschreiten.« – »Ich bin heute nicht gesund«, sagte mit ihrer gezierten, kränklichen Stimme die Insarowa. Sie schaute Klenk ungeniert prüfend an, wandte sich wieder an den Landsknechtführer, zeigte offenkundig, daß der ihr besser gefiel. Klenk blieb gut gelaunt, war witzig, paradierte vor der Russin, die sich seine Komplimente mit leichter Neugier gefallen ließ, ohne Lächeln, ziemlich gleichgültig.
Klenk blieb vergnügt auch auf dem Nachhausewege. Vergnügt nahm er sich vor, im nächsten Ministerrat eine allgemein schärfere Stellung gegen die Bewegung Kutzners zu verlangen. Vergnügt beschloß er, den Toni Riedler und seine Sportverbände, desgleichen den Major von Guenther und seinen Meineid ein wenig schärfer ins Auge zu fassen. Er hatte es lange schon vorgehabt.
Auch der Flaucher ging unterdessen nach Haus, begleitet von dem Abgeordneten Sebastian Kastner. Der, als er geziemende Weile draußengeblieben war, hatte zu seiner Verwunderung den Flaucher allein am Tisch gefunden mit dem schlafenden Dackel. Der Flaucher war sehr aufgeräumt jetzt, er hatte es offenbar dem Klenk gegeben. Der Abgeordnete des Stimmbezirks Oberlanzing hatte um die Vergünstigung gebeten, den Minister nach Hause begleiten zu dürfen. Nicht achtend die Belästigung durch den ihm um die Füße springenden Dackel, ging er ehrerbietig immer einen Viertelschritt hinter dem Flaucher drein, sehr froh, daß die altväterischeGesinnung des biederen Mannes triumphiert hatte über die hochmütige Neuerungssucht des Klenk, gehoben von dem Bewußtsein, daß er morgen mit dieser Beruhigung zu seinen Wählern in die Vorberge zurückkehren könne.
Auch im Nürnberger Bratwurstglöckel war man aufgebrochen. Einige der Herren hatten ein längeres Stück Weg gemeinsam nach Bogenhausen durch den Englischen Garten. Der Hartl hatte sie, wie sie gehofft, freigehalten. Die Demonstration des Ministers für den Kollegen, für die Selbstherrlichkeit des Richters hob ihr Herz hinaus über die Not der Zeit, sie waren sehr aufgekratzt. Sie zogen durch den nächtlichen Park in ihren anständigen, etwas abgeschabten Anzügen. Sie dachten nicht an die Arbeit und Mühen, die ihre Frauen den andern Tag haben würden um die Beschaffung der Nahrung, um die Aufrechterhaltung des Hausstands. Sie dachten auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher