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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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an die Termine, die ihnen am Morgen bevorstanden, nicht an die Objekte dieser Termine, nicht an die 2 358 Jahre Zuchthaus, die vier unter ihnen verhängt hatten. Sie dachten vielmehr an Mützen, Bänder, Uhrzipfel, Bier, Fechtboden, Bordell, an die ganze Seligkeit ihrer Jugend, und sie sangen mit Überzeugung und soviel Schneid als ihre alternden Stimmen hergaben, ein lateinisches Lied: nun wollten sie fröhlich sein, solang sie jung seien; nach einer vergnüglichen Jugend, nach einem verdrießlichen Alter werde sie der Erdboden haben. Auch die beiden protestantischen Herren sangen dies mit, nicht bedenkend, daß sie sich der größeren Ersparnis halber in einen Feuerbestattungsverein eingekauft hatten.
6
Hundemasken
    Wenige Tage nach der Unterredung mit Dr. Bichler, als Johanna in der Nähe der Oper am Perron eines Cafés vorbeiging, grüßte sie ein junger Mensch, stand auf, kam mit vertraulicherNonchalance auf sie zu. War hell, locker angezogen, aus dem blassen, frechen, windigen Gesicht stachen sehr rote Lippen. Er bat Johanna, ihm Gesellschaft zu leisten. Sie zögerte, dann setzte sie sich zu ihm.
    Es ergab sich, daß Erich Bornhaak häufig in Paris war und die Stadt gut kannte. Einmal auch war er Fremdenführer gewesen; er sprach das Französische leicht, fließend. Ob er sie nicht einmal führen solle? Er könne ihr verschiedenes zeigen, was sie sonst bestimmt nicht zu sehen bekäme. Er blinzelte sie an, sah verkommen aus. »Es ist übrigens eine Ewigkeit vorbei, daß ich Fremdenführer war«, lachte er. »Jetzt habe ich andere Geschäfte, ziemlich komplizierte.« Sein Gesicht, bei aller Lasterhaftigkeit, sah auf einmal jungenhaft aus. Er lud sie dringend ein, ihn zu besuchen. Er habe eine hübsche, kleine Wohnung in Clamart. Auch einen Wagen habe er zur Verfügung. Es sei wirklich nett bei ihm, nicht uninteressant.
    Sie kam. Erich Bornhaaks winzige Zimmerchen in Clamart, freundlich zwischen Bäumen, waren luxuriös, puppig, unordentlich. An den Wänden hingen Gipsmasken von Hundeköpfen, viele, sehr verschiedene: Terrier, Doggen, Spaniels, Hunde aller Art. Erich Bornhaak ging herum, elegant, locker, mit seinem überheblichen Lächeln, leisen Geruch von Heu und Leder verbreitend. Sie tat ihm nicht den Gefallen, nach den sonderbaren Hundemasken zu fragen.
    Er sprach von seinen politischen Geschäften. »Ich könnte manchen Mann auffliegen lassen«, sagte er. Er nannte Namen. Er sprach vertraulich, von Hoffnungen, von der Möglichkeit von Fehlschlägen. Sind wir denn Spießgesellen? dachte Johanna, sich wundernd über das abgelegene Wort, das ihr da ins Hirn kam. »Wir sind ja eigentlich politische Gegner«, sagte er, »aber ich bin tolerant.« Er gab sich mit lässiger Selbstgefälligkeit in ihre Hand. Was will er? dachte Johanna. Warum sagt er mir das alles?
    Erich schaute das große Mädchen auf und ab, hielt die Zigarette etwas geziert in seinen spitzen, gepflegten Fingern. Aufregend elegant ist sie nicht, dachte er. Wenn ich mit Laurettezusammen bin, macht es bessere Figur. Aber es müßte amüsant sein, mit ihr im Bett zu liegen. Sie hat so etwas Ausgiebiges. Wahrscheinlich ist sie sentimental.
    »Meine Mission«, sagte er, »ist eigentlich reizvoll, soweit in dieser langweiligen Welt etwas reizvoll sein kann. Spießermoral würde vielleicht von Spionage quatschen, pathetische Phrasendrescher von Feme. Mir ist das Kostüm piepe. Was soll an einem Spion schlecht sein? Menschen überlisten ist doch schwieriger als Tiere. Den Boxkämpfer hält man für besser als den Stierkämpfer.«
    »Wie finden Sie Herrn von Dellmaier?« fragte er unvermittelt. Er fand ihn fabelhaft. Johanna erinnerte sich, wie sich die beiden übereinander lustig gemacht hatten, in Garmisch. Jetzt sprach er schwärmerisch von ihm, und es schien Johanna ehrlich. »Unsere Geschäfte gehen Hand in Hand«, erzählte er. »Abwechselnd bleibt einer in der Stadt, der andere reist. Wir haben viele Geschäfte, nicht nur politische.« Er zeigte ihr Artikel der Linkspresse, in denen die Polizei heftig angeklagt war, zu wenig zu unternehmen für die Aufklärung des Mordes an dem Abgeordneten G., einem Abgeordneten der Linkspartei, der auf offener Straße in München ermordet worden war, ohne daß die Behörde eine Spur des Täters entdeckt hätte. Die Zeitungsartikel wiesen auf Spuren. Sie behaupteten, ein Herr von D. könnte Aufklärung geben. Sie schilderten Herrn von D., es war klar, daß sie von Dellmaier meinten, ihn für den Mörder

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