Erfolg
seinen Lieblingsliedern behauptete das eine, noch seien die Tage der Rosen , das andere, ein russisches Volkslied, beschäftigte sich mit einem Mütterlein und rotem Sarafan . Mit diesen Liedern pflegte er seine Tätigkeit im Staatsministerium für Unterricht und Kultus zu begleiten. Er interessierte sich für Bastelei am Rundfunkgerät, für Erzeugnisse der bayrischen Porzellanfabrikation, war Vorstandsmitglied des Vereins für bayrische Kaninchenzucht, auch der Bayrischen Volkspartei. Er gebrauchte mit Vorliebe zum Ausdruck der Verwunderung das einem alten, komischen Spiel entnommene Wort Schlapperdibix . Seinen schwersten Gewissenskonflikt hatte er zu durchleiden, als er, während der Inflation, an der Leiche seines Vaters wachte. Es erhob sich die Frage, ob er, um die Heirat seiner Tochter zu ermöglichen, seinem toten Vater die während der Geldaufblähung besonders wertvollen Goldplomben aus dem Mund ziehen sollte. Er schwor 7 Eide, darunter 3 substantiell falsche. Da aber auch sie formal einwandfrei waren, erachtete er es nicht für notwendig, die Finger der linken Hand einzubiegen. An seiner Beerdigung nahmen 514 Personen teil, gespielt wurde das Lied: »Ich hatt’ einen Kameraden.«
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Sieht so ein Mörder aus?
Dr. Geyer schrieb Johanna nach Paris genau, was sich in der Angelegenheit Krüger ereignete. Es ereignete sich nichts. Das Wiederaufnahmeverfahren kam nicht vorwärts. Dr. Geyer war der Ansicht, es sei sinnvoller, wenn Johanna von Paris aus schüre, die Zeitungen hetze, die öffentliche Meinung der zivilisierten Welt stachle, als wenn sie in München bei sabotierenden Ministerialräten und Landesgerichtsdirektoren antichambriere.
Johanna lebte ziemlich moros neben Herrn Hessreiter her.In fünf Tagen also wird man die kleine Wohnung beziehen, die er gemietet hat. Ob man in einer Wohnung lebte oder im Hotel, ob die Tante Ametsrieder kam oder nicht, war weiß Gott keine wichtige Sache: trotzdem war seit jenem Streit der letzte Kontakt zwischen ihr und Herrn Hessreiter gerissen.
Herr Hessreiter dachte: Sie ist so gelassen, da stimmt etwas nicht. Es kommt nicht mehr vor, daß sie hochgeht, und für eine Hetz ist sie auch nicht mehr zu haben. Höchstens noch beim Tennis ist sie aufgekratzt. Sie interessiert sich mehr für ihre Bälle als für mich.
Herr Hessreiter hatte viele Projekte in dieser Zeit. Er verhandelte mit französischen Unternehmern, mit amerikanischen Geldgebern. Er dachte an den Reindl, er wollte es ihm zeigen. Doch immer im letzten Augenblick zuckte er zurück. Die Süddeutschen Keramiken Ludwig Hessreiter & Sohn waren eine solide Sache, auf der der Kommerzienrat Paul Hessreiter und sein schönes Haus in der Seestraße fest und sicher standen. Maßvolle Auslandsgeschäfte machten einen, auch ohne daß man viel riskierte, fett zur Genüge. Ließ er sich in die neuen, großen Unternehmungen ein, dann schwamm er mit in einem wilden, riesigen Strom. Es lockte sehr, sich dahinein zu schmeißen, man war dann nicht mehr in Bayern zu Hause, sondern in der weiten Welt. Aber mit dem behaglichen Schlaf war es vorbei. Herr Hessreiter hatte es wichtig, überlegte, zog sich vor dem Abschluß wieder zurück, erwog von neuem. Vorläufig blieb das einzige Ergebnis, daß sein Schläfenbart immer kürzer wurde.
Einmal kam ein Spezi Herrn Hessreiters aus dem feudalen Münchner Herrenklub nach Paris, der Geheimrat Dingharder von der Kapuzinerbrauerei. Er erzählte von Münchner Ereignissen. Der Landesgerichtsdirektor Hartl hatte durch den Tod seiner Schwiegermutter viel ausländisches Geld geerbt und mandelte sich auf, im Herrenklub sowohl wie im Gerichtssaal. Der General Vesemann hatte sich in München ein Haus gekauft und ließ sich endgültig dort nieder, dasmachte die Stadt zum Zentrum der patriotischen Bewegung. Der Fünfte Evangelist breitete sich aus; man kriegte schon beinahe Angst, so groß wurde er. Der Magistrat hatte einen neuen Beitrag bewilligt zur Ausschmückung der Feldherrnhalle. Herr Pfaundler hatte mit den Proben zu seiner großen Revue begonnen.
Herrn Hessreiter überkam Sehnsucht. Er sehnte sich nach seinem Haus, nach dem Englischen Garten, der Tiroler Weinstube, den Bergen, den Proben der Pfaundlerschen Revue. In seinem Innern, das freilich gestand er sich nicht ein, war er längst entschlossen, seine sichere Münchner Existenz nicht an eine der lockenden, aber riskanten Chancen zu setzen, die die weite Welt bot. Wenn er dennoch in der Ferne aushielt, dann deshalb, weil er es für
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