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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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diesen Standpunkt, schaute höhnisch zu. »Ich bin neugierig«, sagte er sachlich, bösartig, »ob Herr Pfaundler oder Aristophanes siegt.« Tüverlin selbst war schon nicht mehr neugierig.
    Oft bei den Debatten mit Pfaundler war der Komiker Balthasar Hierl anwesend. Er stand da, den großen Birnenkopf gesenkt, durch die Nase schnuffelnd, mürrisch, traurig. Er äußerte wenig, Abliegendes, seufzte viel. Um seine Meinung befragt, machte er: »Hm, Na, Ja mein, Herr Nachbar, Es ist halt schwer« und ähnliches. Vor seiner Gefährtin schimpfte er heftig über die damischen Rindviecher, die nichts verstünden von einer richtigen Komödie; das Ganze werde ein Reinfall. Wenn sie ihn fragte, warum er dann nicht lieber hinschmeiße, brummte er Unverständliches. Es war dies, daß er auf alles, was Tüverlin machte, scharf aufpaßte; er hatte erkannt, der Tüverlin war ein ganz schlauer, der die ganze Bande künstlerisch einsteckte. Viele Anerkennungen, Einfälle Tüverlins wirkten in ihm weiter, brachten ihn auf Ideen. Er plante, manches, was er jetzt nachdrücklich verwarf, später in den Minerva-Sälen zu verwerten. Andernteils fürchtete er, das Beiwerk der Revue werde ihn überwuchern. Tüverlin war ihm zu entschieden. Auch er, Hierl, hatte viel auszusetzen an seiner Vaterstadt München, er grantelte an ihr herum, seine Produktion war eine einzige Kritik. Das war ihm erlaubt, er durfte von seiner Mutter sagen, sie sei eine alte Sau: sagte es ein anderer, dann haute er ihm eine Watschen herunter. Der Tüverlin sagte es klar und deutlich, und er haute ihm doch keine herunter. Das ärgerte ihn.
    Als man daranging, Tüverlins Buch in die Praxis zu projizieren, mehrten sich Widerstände und Lächerlichkeiten. Freundinnen von Geschäftsfreunden Pfaundlers sollten engagiert werden und verlangten Text. Leise deutete Frau von Radolny an, eigentlich habe sie darauf gerechnet, Tüverlin durch ihre Mitwirkung auf der Bühne zu unterstützen, und bat um Text. Pfaundler wollte sich den Klenk verbinden, dessenInteresse an der Russin nicht nachließ, und forderte für die Insarowa Text. Andern Text, neuen Text. Text, Text, Text wünschten Maler, Musiker, Schneider, Bühnenarchitekten. Eine Flut von Bitten, Beschwörungen, Drohungen schwoll heran. Herr Tüverlin faßte sie alle zusammen unter die gemeinsame Bezeichnung Ansinnen . Herausfordernd fragte er jeden, mit dem er zu tun hatte: »Welches Ansinnen haben Sie?« Mit Pfaundler gab es immer heftigere Auseinandersetzungen, die Pfaundler fett und sieghaft zu beenden pflegte: »Wer zahlt?«
    Pfaundler brauchte für »Höher geht’s nimmer« hundertfünfzig nackte Mädchen. Es wurden eine Woche lang täglich Scharen von Mädchen ins Theater bestellt, die an dem Hilfsregisseur, dem Assistenten des bildnerischen Beirats, der Kunstgewerblerin, die dem Kostümwesen vorstand, vorbeidefilierten. Mit leeren Puppengesichtern und ausdruckslosen Gliedern, in fader Geschäftsmäßigkeit, schwitzend, trostlos gelangweilt, warteten die Mädchen herum, dumm kichernd, derb zotend, von den vorbeigehenden Männern plump angefaßt. Ganz junge Mädchen waren darunter. Wurden sie hier angenommen, dann hatten sie ihr Zuhause los, einen kahlen Raum, gepfercht mit Menschen, übeln Gerüchen, wüstem Geschimpfe. Girl in der Revue sein, war Freiheit, die große Chance, Eintrittsbillett in eine menschenwürdige Existenz. Einige waren mit ihren Müttern da. Sie sollten nicht werden wie ihre Mütter, sie sollten es gut haben, Girls werden.
    Aber auch diese Jungen, Erwartungsvollen waren ohne Reiz. Niemals hätte Tüverlin geglaubt, daß Frauenhaut so armselig, junge Glieder so trist und farblos löschpapieren wirken können. Geruch von Schminke, Schweiß, Fleisch war im Raum. Tüverlin dachte fernher an Musterung von Menschenmaterial, die er während des Krieges erlebt hatte.
    Auch sonst wimmelten auf den Proben viele Menschen herum, die mit Tüverlin und seinem Werk nur losen Zusammenhang hatten: Artisten, eine Liliputanertruppe, einer mit einem klavierspielenden Pavian. Zwischen all diesem Volkstand mürrisch, mißtrauisch, kritisch der Komiker Hierl herum. Er musterte die nackten Mädchen, sagte zu ihnen: »Was kriegen nachher Sie zahlt, Herzerl?« Dies nämlich war der Ton, auf den der Komiker Hierl einer Anregung Tüverlins zufolge die ganze Figur des Kasperl stellen wollte. Kasperl interessiert sich für die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Umwelt. Er fragte jeden: »Was kriegen nachher Sie zahlt, Herr

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