Erfolg
Dogge Thusnelda, ich glaube, die Dogge Thusnelda würde ihm eher eine schlaflose Stunde verursachen als der Abgeordnete. Am Flusse Ganges«, fügte er hinzu, als Johanna schwieg, »ist die Kultur älter als am Flusse Isar. Ich glaube, am Flusse Ganges hat mancher Mann mehr Hemmung, gewisse Tiere umzubringen als gewisse Menschen.«
Johanna ging neben dem locker Hinschreitenden, betäubt, fast gelähmt. Sein flotter Wortschwall drang in ihr Ohr, wirkte wie ein gefühltötendes Mittel. Leichter, frischer Wind war, das Meer sah fröhlich aus. Erich Bornhaak erzählte munter drauflos. Mit diesen politischen Morden sei das so eine Sache. Einmal war er eingeladen gewesen auf einem Besitz im Chiemgau. Kurz vorher sei wieder einmal ein Führer der Linksparteien beseitigt und der sogenannte Mörder nicht ermittelt worden. Auf jenem Gut, der Teufel wisse wieso, habeman ihn für den Mörder gehalten. Das habe dort viel Anziehungskraft gehabt, die jungen Damen seien auf ihn geflogen. Er erinnere sich deutlich einer gewissen Exkursion auf dem See. Er sei mit seiner Dame in das Schilf der Herreninsel gefahren. Wäre er nicht ein so abgesagter Feind jeder Bindung, dann hätte er eine gute Partie machen können; denn man habe sehr viel Moos gehabt. Sei übrigens jung und sehr nett gewesen.
Johanna war schweigsam, als sie zurückfuhren. Verabschiedete sich, als sie in Paris angelangt waren, kurz, schnell.
Am nächsten Morgen, solange sie Tennis spielte, verflüchtigten sich die Gedanken an die Hunde und den toten Mann. Sie fühlte sich frisch, lustig. Sehr bald darauf aber, gegen ihren Willen, hackte sich das Bild des Jungen wieder in ihr Hirn. Seine saloppen Gesten, die gemachte Nebensächlichkeit seiner Worte. Es war, als sei die ganze Luft ringsum erfüllt von dem leisen Geruch von Heu und Leder. Was wollte der Junge? Was sollte sie mit seinen Bekenntnissen? Wollte er ihr einen Teil mit aufladen? Sie war zerstreut an diesem Abend, behandelte Hessreiter schlecht.
Andern Tages dann, mehrmals angekündigt, wieder abgesagt, traf mit resoluten Schritten Tante Ametsrieder ein. Fest trug sie den großen Mannskopf, die feiste Gestalt durch die kleine, stille Wohnung, sehr befriedigt, daß man sie herbeigerufen hatte. Es hatte sie gekränkt, als Johanna sich so gleichmütig von ihr trennte. Jetzt also zeigte sich, daß man doch nicht auskam ohne sie. Aber es zeigte sich nicht. Johanna, keineswegs reumütig, nahm die Gegenwart der Tante als etwas Selbstverständliches hin, ja als etwas zuweilen Lästiges. Wie in München gewährte sie ihr wenig Einblick, und die Tante hätte ihr doch auch in bezug auf ihr Innenleben gerne mit Rat, Tat, Erfahrung beigestanden. Es blieb Frau Franziska Ametsrieder nichts übrig, als sich auf die Regelung von Johannas Kost, auf Möbelumstellungen und derlei praktische Kleinarbeit zu beschränken.
Herr Hessreiter war erfahren genug, um zu wissen, daßkeine menschliche Beziehung immer gleich heiß bleiben kann. Doch die laue Freundlichkeit Johannas kränkte ihn. Er hatte in einem Spielklub eine exotische kleine Dame kennengelernt aus dem französischen Hinterindien, ein angenehmes, nicht übermäßig anspruchsvolles Geschöpf, das ihm durch Sanftheit und beweglich freundliche Sitten gefiel. Er besuchte sie jeden zweiten Tag. Er war wohl nicht der einzige, der sie besuchte, doch das bekümmerte ihn nicht.
Es konnte nicht ausbleiben, daß man auch in seiner Wohnung von diesen Besuchen bei der Anamitin erfuhr. Johanna blieb unberührt. Doch die Tante Ametsrieder, durch die Schweigsamkeit und Gleichgültigkeit Johannas zu dicker Langeweile verurteilt, sah hier eine Gelegenheit, sich resolut zu betätigen. Sie beschloß, die Exotin zur Rede zu stellen. Das wäre ja das Höhere. Sie betrachtete Hessreiter als eine Art Schwiegersohn. Sie wird diesem chinesischen Unfug ein Ende machen.
Eines Morgens also erschien sie in der kleinen, hellen Wohnung Madame Mitsous. Sie hatte im französischen Lexikon alle Worte nachgeschlagen, die in Frage kamen, um der Chinesin unzweideutig und saftig Bescheid zu sagen. Ein höfliches Dienstmädchen bat sie, zu warten, Madame sei noch im Bad, sie werde sie in fünf Minuten empfangen. Feist und entschlossen saß Frau Franziska Ametsrieder in dem hübschen Zimmerchen, stieß ihren großen, kurzgeschorenen Mannskopf vor, in alle Winkel äugend, wo sie etwas erspähen könnte, sie in die rechte Wut über das gelbe Laster zu versetzen. Aber sie fand nichts, es war eine honette, saubere
Weitere Kostenlose Bücher