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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Nachbar?« Einmal läßt er sich die Prinzipien kommunistischer Weltanschauung auseinandersetzen. Der andere bemüht sich umständlich, Kasperl macht: »Aha!«, fragt: »Was kriegen Sie nachher zahlt?«, erklärt schließlich, er werde Kommunist werden. Aber wenn er sein Gerstel beisammen habe, nachher soll, erklärt er giftig, der andere den Kommunisten machen. Später einmal agiert er zusammen mit einem andern einen Stier im Kampf mit dem Torero, und mitten im Kampf stellt sich der Stier hin in der phlegmatischen, beharrlichen Stellung, die der Kasperl-Hierl den ganzen Abend über liebt, und fragt den Torero, der ihn töten soll: »Was kriegen nachher Sie zahlt, Herr Nachbar?« Wurden diese Szenen probiert, dann war Balthasar Hierl in seiner besten Form. In den meisten anderen Szenen stand er säuerlich verstockt herum, stumpf, bockbeinig, lähmte durch seine Passivität seine Partner.
    Je mehr die Proben fortschritten, um so deutlicher zeigte sich, daß Pfaundler den Tüverlin nur einen winzigen Teil dessen ans Licht stellen ließ, was er gemacht hatte. Eigentlich gab von den zweiundvierzig Bildern Pfaundlers ein einziges das, was Tüverlin wollte: jene Szene, in der Kasperl-Hierl den Stier machte. Diese Szene freute Tüverlin im Manuskript und auf der Bühne.
    Im übrigen glich, was da gemixt wurde, von Tag zu Tag mehr den üblichen Revuen der Zeit, sinnlosen Schaustellungen von Flitter, glänzenden Stoffen, nacktem Fleisch. Tüverlin hatte ein paar gute, saftreiche Monate gehabt. War er nicht ungewöhnlich dumm gewesen, seine Fruchtbarkeit in diese Revue zu verschütten? Er dachte an Johanna. Sie würde,wenn er ihr von der Sache erzählte, sicher ihre drei Furchen in der Stirn haben. Er hätte ihr eigentlich gern davon erzählt. Es war Blödsinn gewesen, daß sie damals nicht zusammenkamen. Er stellte sich das große Mädchen deutlich vor. Sie war nach den hundertfünfzig Fleischpuppen, die er heute gesehen hatte, ein Mensch. Das Gescheiteste wäre, er ließe die verkorkste Sache hier stehen. Soll er ihr schreiben?
    Aber er schrieb nicht. Vielmehr setzte er sich hin und feilte an der Stierkampfszene.
10
Bayrische Lebensläufe
a) Ignaz Mooshuber
    Ignaz Mooshuber, Ökonom in Rainmochingen, wurde geboren ebenda als Sohn der Ökonomenseheleute Michael und Maria Mooshuber. Er besuchte 7 Jahre die Schule in Rainmochingen, lernte lesen, auch einiges schreiben. Er diente beim Militär, übernahm dann den kleinen väterlichen Bauernhof. Er besaß in der Blütezeit seiner Jahre 4 Pferde, 2 Pflüge, 1 Frau, 4 eheliche, 3 uneheliche Kinder, 1 Bibel, 1 Katechismus, 1 Christkatholischen Bauernkalender, 3 Heiligenbilder, 1 Öldruck, darstellend den König Ludwig II., 1 Photographie, darstellend ihn selber beim Militär, 1 Zentrifuge zur Butterbereitung, 7 Schweine, einige Schlingen und Fallen fürs Wild, 1 Sparkassenbuch, 3 Truhen, gefüllt mit Inflationsbanknoten, 23 Nähmaschinen, die er erworben hatte, um einiges von diesem Inflationsgeld in Sachwerten anzulegen, 2 Fahrräder, 1 Grammophon. Er verfügte über ein Vokabular von 612 Worten. Er ließ sich durchschnittlich 23mal im Jahr in eine Rauferei ein. Insgesamt 204mal stieg er durch ein Fenster in eine Mädchenkammer. Es ließen sich im Zusammenhang mit ihm 14mal Mädchen beziehungsweise Frauendie keimende Frucht abtreiben. Er wurde 9mal verwundet, davon 3mal durch Messer in Privathäusern, 2mal durch Kugeln im Krieg, 4mal durch zerbrechende Bierkrüge im Wirtshaus. Er nahm 9mal im Jahr ein Fußbad, 2mal ein Vollbad. Er trank 2 137 Liter Wasser und 47 812 Liter Bier. Er schwor 17 Eide, darunter 9 bewußt falsche, wobei er 3 Finger der linken Hand einbog, was ihn der landläufigen Meinung zufolge der Verantwortung Gott und den Menschen gegenüber enthob. Er hatte 3 dunkle Stunden. Die erste, als er während des Krieges erfuhr, daß das Bier infolge Materialmangels verdünnt werden sollte, die zweite, als er verurteilt wurde, für den Unterhalt des unehelich erzeugten Kindes Balthasar Anzinger aufzukommen, die dritte, als er den Tod spürte. Sein Lieblingslied begann mit den Worten: »Droben auf der Höh / Steht die bayrische Armee.« An seinem Begräbnis nahmen 192 Personen teil; denn er war angesehen, Mitglied der Gemeindeverwaltung. An seinem Grabe spielte man das Lied: »Ich hatt’ einen Kameraden.« Auch wurde mehrmals zum Zeichen der Trauer geschossen. Da einer der Böllerschüsse versagte, entstand während des Trauermahls eine Meinungsverschiedenheit, infolge

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