Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
war nicht sein Geschmack. Aber andernteils konnte er viel basteln und werkeln, die Beleuchtungstechnik war weit zurück, es gab da eine Masse Probleme. Es war ihm auch ein Dreh aufgegangen, etwas absolut Neues; vielleicht wird er bald ein Patent anmelden. Interessant war die Beschäftigung, da fehlte sich nichts. Es war anständig von dem Genossen Pröckl, daß er sie ihm verschafft hatte.
    Ja, meinte die Anni leichthin, das schon. Im Innern war sie stolz auf den Kaspar. Bloß ein wenig grantig, fuhr sie fort, war der Kaspar in der letzten Zeit. Er hatte so viel Verdruß. Jetzt, wo es wieder im Gleis war, konnte sie ja ruhig darüber reden, und sie erzählte dem Bruder redselig und vergnügt von einer Menge Streitigkeiten mit den Wirtsleuten und besonders von einer gewissen Babette Fink, die ein Kind angeblich von Kaspar hatte und die unverschämte Ansprüche an ihn stellte. Er war mit dieser blöden Gans absolut nicht fertig geworden, er hatte bloß eine ausgezeichnete Ballade auf sie gemacht. Zuletzt hatte sie, die Anni, alles einrenken müssen. Ganz zuletzt hatte es noch eine saftige Auseinandersetzung gegeben zwischen dem Kaspar und ihr. Bei allem Respekt hatte sie sich nämlich ein bißchen höhnische Verwunderung nicht verkneifen können, daß einer, der nichteinmal mit der Lösung seiner eigenen Angelegenheiten zu Rand kam, mit solcher Sicherheit feststellen wollte, was für alle praktisch sei. Der Kaspar war empfindlich geworden, es kam zu einer kräftigen Debatte über ihr Weltbild. Sie hatte sich nicht unterkriegen lassen. Sie finde nun einmal, wenn einer behaupte, es gebe wissenschaftlichen Kommunismus, so sei das nicht weniger ein Gespinne, ein Spinnerts , als wenn einer behaupte, die Lehre von der unbefleckten Empfängnis oder der Unfehlbarkeit des Papstes sei Wissenschaft. So was glaube man, oder man glaube es nicht. Sie habe halt einfach nicht den Glauben.
    Der Beni, langsam, bedächtig, suchte ihr auseinanderzusetzen, daß Kaspar Pröckl nicht aus Menschlichkeit Kommunist sei, sondern aus der nüchternen Erwägung, dieser Zustand sei für die Gesamtheit, mithin auch für ihn, praktisch, wünschenswert, nützlich. Die Anni erwiderte, Kaspar Pröckl sei zweifellos gescheit, der gescheiteste Mensch, den sie kenne, und wenn er seine Balladen singe, dann werde ihr ganz anders. Aber sein Glaube, darin sei sie obstinat, sei halt nichts für sie. Später, nachdenklich, meinte sie, sie sowohl wie der Bruder und alle Menschen, die mit dem Kaspar zusammenkämen, hielten ihn für ein Genie. Was aber nun an ihm genial sei, das wisse so recht keiner. Der Beni wußte es auch nicht.
    Die Hauptsache bleibe, resümierte die Anni resolut, schon wieder vergnügt, daß dem Beni die Anstellung bei der Revue Spaß mache. Also auf ein Patent gehe er los, das war ja großartig. Er wird schon noch hochkommen. Sie lächelten beide, wie ihr dieser Lieblingssatz des Vaters entwischte, der ganzen Familie tief eingesenkt.
    Die Geschwister saßen jetzt friedlich zusammen in einem schattigen Biergarten, unter Kastanien, schauten vor sich hin, betrachtsam, dachten an den Alten. Das Essen war mäßig, irrsinnig teuer. Das kam, weil der Dollar schon wieder so hinaufgesprungen war. Das Wort Valuta, vor einem Jahr noch unbekannt, war heute rechts und links der Isar über die ganzeHochebene hin geläufig. Die Bauern gaben nichts mehr her außer gegen ausländisches Geld. Ließen die Stadt verhungern. Die Lebensmittelschieber schritten dick her in großartigen, krachenden, ihren plumpen Maßen angepaßten Anzügen, zündeten sich die Zigarren an mit glatten, braunen Tausendmarknoten, wie sie frisch, starkriechend aus der Reichsdruckerei kamen. Das Ganze trieb einer Katastrophe entgegen, sagte der Beni. Viele Genossen träumten von einer Aktion, ja, sie schwenkten hinüber zu den Wahrhaft Deutschen, weil die immer von Aktion schrien, und weil sie etwas Greifbares boten, den Führer , ihren Rupert Kutzner. Ein trauriger Hanswurst, behauptete der Beni, mit einer großen Lunge und einem leeren Kopf. Die Anni verstand nichts von Politik. Sie hatte miterlebt, wie die gleichen Fünfzigtausend, die flennend der Leiche des ermordeten Revolutionsführers Eisner zur Bestattung folgten, ebenso flennend mitzogen bei der Beerdigung des von ihm gestürzten Königs Ludwig III. Die Münchner, meinte sie, das seien gute Leute, aber von Politik verstanden sie alle nichts. Immer mußten sie einen haben, von dem sie sagten: der ist es. Es war Glückssache, wen

Weitere Kostenlose Bücher