Erfolg
sie grade derwischten. Heute war es der Eisner, der jüdische Sozialist, morgen der Kutzner, der Wahrhaft Deutsche, übermorgen vielleicht der Maximilian, der Kronprinz. Sie spannen ein bißchen, die Münchner. Warum sollte man ihnen das nicht gönnen? Hat doch auch ein jeder Privatmensch sein privates Spinnerts: sie den Kaspar, der Beni seinen Kommunismus, der Vater das gelbe Haus.
Der Beni, nachdem er die redselige Anni zur Gabelsbergerstraße gebracht hatte, vor das Atelier des Pröckl, ging nach Haus zum Unteranger. Der alte Cajetan Lechner freute sich, den Sohn dazuhaben, ließ es sich nicht merken, grantelte. Das sei ja etwas Extriges, daß man auch einmal wieder die Ehre habe.
Es ging dem Alten nicht gut. Wochenlang war er zusammengehockt mit dem Pernreuther, dem Besitzer des gelben Hauses, mit Unterhändlern, mit Maklern, mit richtigen undmit Winkeladvokaten, und zuletzt hatte ihm doch ein Ausländer das gelbe Haus vor der Nase weggekauft. Ein galizischer Jud. Wahrscheinlich hatte der Kutzner recht und seine Wahrhaft Deutschen. Jedenfalls war, was er sagte, einleuchtender als das Gered, das damische, das der Beni dahermachte. Aber ob nun das kapitalistische System daran schuld war oder die Juden: das Kommoderl des Cajetan Lechner jedenfalls war fort, das gelbe Haus hatte er nicht gekriegt, und mit seiner großen Sehnsucht, seinem Spinnerts , war es ein Dreck.
Nach langem Hin und Her dann hatte er das Haus am Unteranger erstanden, in dem er selber wohnte, mit seiner Altmöbelhandlung. Auf das Katasteramt zu gehen, gewichtig, den Handel schriftlich zu machen, war ein gewisser Ersatz. Gleich darauf aber, wie er den geänderten Stand der Dinge den Mietern verkündete, sich ihnen als der neue Hauswirt vorstellend, erlebte er eine zweite große Enttäuschung. Sie nahmen die Botschaft kühl auf, ohne Respekt. Er hatte seinen langen, schwarzen Rock angezogen, wie er den Rundgang bei den vier Parteien machte. Aber sie wollten nicht einsehen, daß der Cajetan Lechner jetzt was andres war als vorher. Der Hautseneder vom zweiten Stock hatte gesagt, wenn jetzt er Hausherr sei, dann könnte er endlich einmal den Abort richten lassen; Lechner hatte erwidert, der Hautseneder solle ihn nicht schwach anreden, und der Hautseneder, der ausgeschämte Hund, hatte den Lechner schließlich hinausgeschmissen. In seinem eigenen Haus. Der Advokat aber, wie er es advokatisch machen wollte, hatte den Lechner darüber aufgeklärt, daß das ein langwieriger, unsicherer Prozeß werde. Denn in diesen niederträchtigen Zeiten, wo die Ratten des Sozialismus die Heiligkeit des Eigentums von allen Seiten her anknabbern, hätten eben die Hausherren kein Recht mehr, und der Lechner solle nur schleunigst in den Hausbesitzerverein e. V. eintreten. Der Cajetan Lechner hatte wüst herumgeschimpft mit dem Beni. Der und seine saubern Genossen waren schuld daran, daß ein Hautseneder einem in seinem eigenen Haus auf den Kopf schiß.
Im Hausbesitzerverein, dem er beitrat, herrschte allgemeine Verdrossenheit. Unterhalt und Reparaturen kosteten den Hausherren mehr, als der durch Reichsgesetz niedriggehaltene Mietzins ihm brachte. Es war eine dreckige Zeit, alles war narrisch. Es nützte nichts, wenn man sich auf sein Geld hockte: es schwamm einem unterm Arsch weg. Der Cajetan Lechner war gewitzt, machte es schlau, hielt nicht mehr das bare Geld, kaufte bei Winkelbankiers Aktien, spekulierte. Aber das Schrankerl war fort und, gemessen am Dollar, wurde sein Geld immer weniger. Trotzdem er Hausbesitzer war, schien es nicht, daß er hochkommen werde. Alles schmeckte verflucht nach Drei-Quartel-Privatier. Er hatte gehofft, aus der Neuwahl in seinem Kegelklub »Die Grüabigen« als erster Vorsitzender hervorzugehen. Doch da war er geschlenkt. Trotzdem er eine neue Vereinsfahne stiftete, machten sie den Hausbesitzer Lechner bloß zum Vize.
Gewaltig also, wie jetzt der Beni nach Hause kam, schimpfte der alte Cajetan mit ihm herum. Die waren an allem schuld, die Brüder, die roten Hunde, die roten. Er schimpfte auf die Anni und den Pröckl, den Schlawiner, sagte, er werde sich doch noch bei den Wahrhaft Deutschen als Parteimitglied einschreiben lassen. Der Beni antwortete bedächtige, kurz gefaßte Sätze, die Hand und Fuß hatten. Gerade solche gehaltenen Sätze brachten den Alten sonst auf. Heute indes wurde er nach einer Welle verhältnismäßig sanft. Er hatte ein Geheimnis, und das freute ihn. Sehend nämlich, daß sein Geld immer mehr hinschwand, hatte er
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