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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich eine Eisenbahnfahrkarte nach Holland gekauft, hin und zurück, mit sechzigtägiger Gültigkeit. Hatte dem Holländer geschrieben, er wolle für sich privat das Schrankerl noch einmal photographieren, und der Holländer hatte nichts dagegen gehabt, vorausgesetzt, daß Herr Lechner das Bild nicht veröffentliche. Diesen Brief in der Tasche, dazu das Fahrscheinheft, dazu den Katasterauszug, daß das Haus am Unteranger ihm gehöre, fühlte er eine gewisse Gehobenheit. Er war trotz allem ein gestellter Mann, der sich für eine bloße Gaudi eine Reisenach Holland leisten konnte. Als solcher begnügte er sich mit einem Geschimpfe von kurzer Dauer und wurde bald wieder umgänglich. Vater und Sohn verbrachten bei Brezeln, Bier und Rettich einen friedlichen Abend.
19
Der Mann am Schalthebel
    Im Herrenklub erläuterte Dr. Hartl, jetzt Ministerialdirektor im Staatsministerium der Justiz, warum er, im Gegensatz zu dem Minister Klenk, einer Begnadigung des Dr. Krüger nicht das Wort rede, warum überhaupt er der Reichsregierung gegenüber einen schärferen Kurs befürworte, eine Politik mehr im Sinn der Wahrhaft Deutschen.
    Elegant inmitten der plumperen Herren saß der ehrgeizige Mann, fuhr sich manchmal mit weißen, gepflegten Fingern über die Glatze, legte jovial seine bestechenden Gründe auf den Tisch.
    Alle wußten, warum der stolze Hartl ihnen heute gar so beflissen seine Politik ausdeutschte. Er spitzte darauf, der Nachfolger des Klenk zu werden. Die meisten billigten das, schauten wohlwollend und interessiert auf seine Bemühungen. Es hörten ihm viele Leute zu, es war heute voll im Herrenklub. Nach einem schwülen Nachmittag hatte es endlich Regen gegeben; jetzt rann es gleichmäßig von dem dunkelgrauen Nachthimmel, kam kühl durch die geöffneten Fenster. Man saß angeregt nach dem schlaffen Tag, sagte seine Meinung, hörte auch die andern.
    Unter den Herren, die dem Hartl zuhörten, waren der Fünfte Evangelist und Dr. Sonntag, der Chefredakteur des »Generalanzeigers«. Dr. Sonntag riß nervös an der Schnur seines Zwickers, setzte ihn auf, ab, suchte aus dem Gesicht des Reindl zu lesen. Doch der hielt die gewölbten Augen unangenehm beharrlich auf den Hartl, und seiner völlig stillenMiene konnte Dr. Sonntag weder Zustimmung noch Ablehnung abluchsen. Auch der leise, elegante Herr von Ditram war unter Hartls Zuhörern. Er machte sich nicht schlecht, der neue Ministerpräsident, schlug dünne, aber zähe Wurzeln. Man hörte wenig von ihm; seine Freunde pflegten zu sagen, der beste Regierungspräsident sei der, von dem man nicht spreche. Auch er, während der beredte Hartl seinen Standpunkt darlegte, spähte manchmal leise, unauffällig nach dem Gesicht des Fünften Evangelisten. Es war klar, der Klenk war nicht zu halten. Der Hartl, und der kannte sich aus, sprach bereits so, als säße er auf dem Ministersessel.
    Der Fünfte Evangelist, als der Ministerialdirektor eine kleine Pause machte, stand auf, ging an einen andern Tisch. Auch hier beredete man die Krankheit des Klenk. Hat Pech, der Klenk. So ein baumstarker Kerl und liegt, kaum an der Macht, auf der Nase. Man erzählte Anekdoten, mokierte sich. Den Senatspräsidenten Messerschmidt, da er rechtlich war, ärgerte diese Schadenfreude. Er selber mochte den Klenk nicht leiden. Aber es war ekelhaft, mit wie billigem Vergnügen auf einmal alle, sowie er wackelte, über ihn loszogen; bloß weil er ihnen zu begabt war. Der stattliche Mann hörte sich das flaue, mäkelnde Gerede eine Weile mit an, sein rotes Gesicht mit dem gutgepflegten, altmodischen Vollbart und den vorquellenden Augen ging schwerfällig von einem zum andern. Dann tat er den Mund auf, redete von der großen Musikalität des Klenk. Das war befremdlich, doch klang es als Gegenargument nicht schlecht. Man hörte dem alten Messerschmidt ein bißchen spöttisch, im Innern angerührt zu. Auch Herr von Ditram kam herüber. Ihn zog der Reindl. Es wäre angenehm, wenn der sich äußerte über die Neubesetzung des Justizministeriums.
    Der Reindl, als der Messerschmidt zu reden anfing, wandte seine gewölbten, braunen Augen dem Alten zu. Er dachte, daß, schau an!, der Messerschmidt ein anständiger Mensch sei. Er dachte, daß es schade war, daß der Pröckl nicht mit nach Rußland fuhr. Er dachte, daß er vielleicht jetzt dem Dr.Sonntag einen Wink geben könnte, für den Krüger zu schreiben. Er dachte, daß es eigentlich rätselhaft sei, warum so viele, zum Beispiel er selber, trotz der Münchner die

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