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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich anschickte, dem Jungen seine Gründe klarzumachen, ihn von diesem von Dellmaier abzubringen. Allein er konnte es nicht, er konnte nicht reden. Vielmehr sagte er, er würde sehr gern die Vertretung dieses von Dellmaier übernehmen, gestern hätte er sie auch übernommen. Aber jetzt sei der Tod des Abgeordneten Rutz dazwischengekommen, und er müsse in den Reichstag, und jetzt gehe es nicht mehr. Es klang falsch, gepreßt, unglaubwürdig, er hörte selber, wie unglaubwürdig.
    Der Anwalt konnte nicht wissen, daß den Jungen heute seine Antwort besonders hart traf. Da Erich glaubte, Unglück habe sich dichter gegen ihn verschworen als jemals früher, fiel die freche Überzeugung von ihm ab, er könne, wen er wolle, bezaubern, und er erkannte, daß er kahl und dürftig war. Die Niederlage bei Johanna Krain. Das Unvermögen, den Himmel von Dellmaiers zu entwölken. Jetzt vermochte er’s nicht einmal über diesen armseligen Mann, daß er handle nach seinem Willen.
    Der Anwalt sah die Miene des Jungen sich verziehen, kalt, verächtlich. Sah den Jungen aufstehen, zur Tür gehn. Jetzt wird er, jetzt gleich, und wohl für immer fort sein. Dr. Geyer wollte noch etwas sagen, irgend etwas, ihn zu halten, aber sein Hirn war ausgeleert. Er suchte, wie man wohl im Traum nach etwas sucht, das immer wieder entgleitet, nach einem Satz, einem Wort, das ihn halten könnte. Doch ehe er etwas gefunden hatte, verzerrte sich das Gesicht des Jungen in eine Verachtung ohne Maß, seine Augen wurden ganz hell vor Hohn, und er sagte mit einer haßerfüllten, gar nicht schnoddrigen Knabenstimme: »Ich hätte mir denken können, daß du nein sagst, wenn man einmal eine wirkliche Gefälligkeit von dir will.« Der Anwalt, der Junge hatte schon die Tür geöffnet, sagte heiser: »Ich sage nicht nein, laß es mich überlegen.Laß es mich drei Tage überlegen.« – »Drei Tage?« höhnte der Junge. »Warum nicht gleich ein Jahr?« – »Warte noch vierundzwanzig Stunden«, bat leise der Anwalt.
    Andern Tages in aller Frühe teilte er dem Jungen in einem höflichen, fast demütigen Brief mit, es tue ihm leid, daß er gezögert habe; er übernehme die Vertretung des Herrn von Dellmaier. Aber am gleichen Tag noch erhielt er von Erich Bornhaak den Bescheid, es sei nicht mehr notwendig, Herr von Dellmaier verzichte auf seine Dienste. Es war dies, daß der Minister Otto Klenk nicht mehr dazu gekommen war, in den Fall Dellmaier einzugreifen. Er hatte sein Entlassungsgesuch einreichen müssen, und jetzt wird vermutlich der Hartl das Ministerium übernehmen, die Sache Dellmaier im Sinne der Patrioten liquidieren. Erichs schwarzer Tag war vorbei; er konnte, wieder obenauf, sich’s leisten, den Alten abfahren zu lassen.
    Der Rechtsanwalt Dr. Geyer ging auch an diesem Tage nicht in seine Kanzlei. Dringende Fälle blieben liegen, die Mandanten wüteten. Der Bürovorsteher fand sich ein, bat um Unterschriften, dies und jenes mußte erledigt werden. Er teilte mit, von der Partei habe man, da Dr. Geyer sich in der Wohnung nicht sprechen lasse, mehrmals angerufen, der Anwalt möge sich äußern, ob er das frei gewordene Mandat übernehme; er müsse auch binnen kurzer Frist die offizielle Erklärung darüber abgeben. »Geben Sie ab«, sagte der Anwalt, er schien nicht zuzuhören. »Das wird nicht gehen ohne Ihre Unterschrift«, sagte, Tadel in der Stimme, der Bürovorsteher. Der Anwalt nahm ein weißes Blatt, malte mechanisch, nicht schnell seine Unterschrift. »Ich darf wohl mitteilen, daß Sie Ende der Woche in Berlin sein werden«, sagte der Bürovorsteher. Der Anwalt antwortete nicht. Der Bürovorsteher, das weiße Blatt sorgfältig zusammenfaltend, entfernte sich mißbilligend.
24
Johanna Krain badet in dem Fluß Isar
    Johanna fuhr nach der Strafanstalt Odelsberg. Sie schaute aus lebendigen, zufriedenen, grauen Augen in die flache, langweilige Landschaft, die umständliche Fahrerei verärgerte sie nicht. Paris, Herr Hessreiter, der Windige, so kurze Zeit seither verflossen war, lagen weit hinter ihr. Sie bereute nicht, hatte einfach vergessen. Erich Bornhaak, wer war das? Er hatte nach jener Nacht einmal angerufen, sie hatte sich nicht sprechen lassen, kaum an ihn gedacht, niemals auch nur leise gewünscht, ihn zu sehen. Als läge eine unangenehme, endlich erfüllte Pflicht hinter ihr.
    Vor jener Nacht mit dem Windigen hatte sie, wenn sie an das Wiedersehen mit Martin Krüger dachte, Unbehagen gespürt, die Zusammenkunft hinausgeschoben. Sie hatte Martin

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