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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hinüber zu den Patrioten im »Gaisgarten«. Man beschimpfte sich wüst in den Zeitungen, spionierte sich gegenseitig aus, drohte sich Ausrottung an; aber im letzten Wesen war man sich freund, hier wie dort erhoffte man sich alles von Gewalt, war begierig auf Kampf, lauerte darauf, daß eine Aktion der Gegenpartei einem Gelegenheit zu diesem Kampf gebe. Die Bessern unter den Wahrhaft Deutschen waren kriegerisch imtiefsten Kern ihres Seins. Menschen der Faust, zu Landsknechten geboren. Die Kommunisten, soweit nicht auch ihnen Militarismus im Blut lag, waren gereizt durch die besonderen Verhältnisse der Stadt. Es war nämlich vor wenigen Jahren die kurze Kommunistenherrschaft in München blutig niedergeschlagen worden. Nur auf kurze Zeit in Uniform gesteckte Trupps, sogenannte Zeitfreiwillige , keinem verantwortlich, hatten damals wahllos Männer, Frauen, Kinder in großer Zahl niedergemacht. Die Regierung tat, als sei dies nie gewesen; aber die Angehörigen der Erschlagenen vergaßen nicht. Auch von Natur Friedfertige brannten nach Kampf und Rache. Dieser Durst nach Kampf und Änderung, nach Revolution, nach Putsch einte Kommunisten und Patrioten. Gelegentlich sogar spielten Führer der Patrioten mit dem Gedanken eines Bündnisses mit Sowjetrußland. Da man sich also im Grund, ohne es sich einzugestehen, sympathisch war, suchte man sich gerade in den beiderseitigen Hauptquartieren die Partner aus für die landesüblichen Stechereien. Häufig erschienen Patrioten in der »Hundskugel«, Kommunisten im »Gaisgarten«, und man frotzelte und provozierte so lange, bis eine schöne, gesunde Rauferei im Gang war. Besonders tat sich bei solchen Anlässen der Ludwig Ratzenberger hervor, auch der beliebte Boxer Alois Kutzner raufte manchmal melancholisch mit, und in ihrem Gefolg zwei Burschen von norddeutschem Gehabe, ein gewisser Erich Bornhaak und ein sicherer von Dellmaier.
    Eine ganz leise Hoffnung also, gründend auf diesen Tatsachen, war in dem Anwalt, wenn er hartnäckig und unbehaglich in der »Hundskugel« hockte vor Bier, das ihm nicht schmeckte, und Speisen, die ihm nicht mundeten. Dennoch war er überrascht, als er eines Tages wirklich den Jungen und Ludwig Ratzenberger entdeckte. Merkwürdigerweise fehlte der Versicherungsagent von Dellmaier. Aufreizend elegant saß Erich Bornhaak an dem rohen Holztisch, auf dem groben, schadhaften Stuhl in der rauchigen Kneipe. Man frotzelte ihn, bedrohte ihn, nicht ohne ein gewisses Wohlwollenübrigens. Er erwiderte, frech lächelnd mit seinen sehr roten Lippen, provokatorisch, war heute besonders streitbar. Eine Pechsträhne hatte sich gegen ihn gezettelt wie seit langem nicht. Hatte nicht diese Johanna Krain ihn weggewischt, wie man sich Dreck vom Kleid wegwischt? Nicht einmal den Himmel von Dellmaiers hatte er frei von Wolken halten können. Was alles hatte er in Rupert Kutzner hineingeredet, daß das Prestige der Partei nur gewahrt sei, wenn sie die Sache von Dellmaiers zu der ihren mache. Und jetzt war von Dellmaier, kaum freigelassen, von neuem bedroht. Der Hartl hatte, auf Betreiben Kutzners, die Freilassung von Dellmaiers bewirkt. Aber der Klenk war nicht einverstanden, er tobte, hatte die Akten ans Bett befohlen. Wahrscheinlich wollte er unmittelbar vor seinem Sturz grade an diesem Fall den Patrioten zeigen, daß er noch da war. Jede Stunde konnte von Dellmaier von neuem verhaftet werden. In wüster Laune saß Erich mit Ludwig Ratzenberger, seine Rauflust stachelnd. Der Anwalt starrte den Jungen trockenen Mundes an, unschlüssig, ob er hinüber an seinen Tisch gehen solle, sicher, daß dann der Junge ihn derb wird abfahren lassen.
    Der, die Anwesenheit des Anwalts wohl bemerkend, änderte plötzlich sein Verhalten. Hatte er bisher den Ludwig Ratzenberger befeuert, so hielt er ihn jetzt, grade als es losgehen sollte, zurück. Es war erstaunlich, wie der junge Chauffeur, so streitbar er war, ihm folgte. Die erwartete Stecherei unterblieb. Die beiden entfernten sich bald, ihren ursprünglichen Plan unverrichtet, zur Enttäuschung der meisten. Dem Anwalt warf der Junge, absichtlich an seinem Tisch vorübergehend, leicht grüßend, beiläufig hin: »Morgen werde ich dich in einer geschäftlichen Angelegenheit aufsuchen.«
    Den andern Tag ging Dr. Geyer nicht in sein Büro, ließ sich bei Gericht krank melden. War für niemand zu sprechen, auch am Telefon nicht; die Haushälterin teilte es hämisch den Anrufenden mit. Dr. Geyer wartete. Schlurfte auf und ab, stärker hinkend.

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