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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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man, aus diesen Erwägungen heraus, überall daran, die Zölle abzuschaffen, zweckmäßiger zu wirtschaften, ein sinnvolleres Gebilde Europa aufzurichten. Werde das erreicht, öffne Deutschland seine Zollgrenzen, dann sei es aus mit der bayrischen Landwirtschaft. Der Bayer werde darin seine Bauernzüge, sein Sondergesicht ablegen, werde sich in einen Normalmenschen verwandeln müssen.
    Die Bayern knurrten, sie wollten nicht in die Ferne schauen, und was lag ihnen an einem sinnvolleren Europa. Sie wollten leben wie bisher, breit, laut, in ihrem schönen Land, mit einem bißchen Kunst, einem bißchen Musik, mit Fleisch und Bier und Weibern und oft ein Fest und am Sonntag eine Rauferei. Sie waren zufrieden, wie es war. Die Zugereisten sollten sie in Ruhe lassen, die Schlawiner, die Saupreußen, die Affen, die geselchten.
    Sie ließen sie aber nicht in Ruhe. Von der fernen See her führte man in großen Massen Fische ein und von jenseits der See gefrorenes Fleisch, als ob ihre Lebensmittel nicht genügten. Autos kamen, Fabriken kamen, Flugzeuge schwirrten durch ihre bunten Himmel. Schon kletterte die erste Bahn einen ihrer höchsten Berge hinauf, und da sie selber zögerten, erkroch von der österreichischen Seite her eine Bahn gar ihren höchsten Gipfel, die Zugspitze. Das Wasser ihrer Flüsse verwandelte sich in Elektrizität, schlanke Masten der Überlandleitungen schwangen sich, grauglänzend, filigranhaft klar, in die leichte Luft. Ihr schöner, finsterer Walchensee mußte sich verschandeln lassen durch ein großes Werk, das Bogenlampen leuchten machen sollte und Wagen antreiben. Das Gesicht des Landes änderte sich.
    Es kam ein großes Aufatmen: die Inflation. Den Bauern schwand ihr Besitz nicht wie den Städtern unterm Arsch weg, sie konnten die Schulden, die auf ihrem Boden lagen, mit entwertetem Geld abdecken. Die Lebensmittel zogen an wie in den Jahren des stärksten Kriegshungers, und die Bauern nützten die spinnerte Zeit aus. Sie hatten Geld wie Heu und schmissen damit um sich. Manche von ihnen gaben es nobler, als es Bauern jemals hatten geben können. Der Landwirt Greindlberger fuhr aus der schmutzigen Dorfstraße von Englschalking nach München in einer eleganten Limousine mit livriertem Chauffeur. Er selber saß darin in brauner Samtweste, mit grünem Hut und Gamsbart. Der Käsereibesitzer Irlbeck in Weilheim hielt sich einen Rennstall. Er besaß die Rennpferde Lyra, Da fehlt sich nichts, Dorflump, Banco, die Vollblutstute Quelques fleurs und die Fohlen Titania und Happy-End . Viele Bauern, hatten sie nicht Automobil und Rennrösser im Stall stehen, hielten sich nicht für voll.
    Aber in allem Fett der Inflation merkten die Altbayern, daß es nicht mehr stimmte. Viele freilich wollten es durchaus nicht wahrhaben, sie machten die Augen zu und preßten die Fäuste davor, als ob es dann nicht Tag würde. Aber viele spürten, daß es mit ihrer bisherigen Wirtschaft zu Ende ging.Ihr Privatstaat war zu teuer, sie mußten sich in das Ganze des Reichs schicken, konnten sich ihre politischen und kulturellen Extrawürste nicht mehr leisten. Aus Instinkt wurden sie Nationalisten, denn sie ahnten, daß nur die Rücksicht auf die Versorgung im Kriegsfall den deutschen Bauern hielt. Aus Instinkt wurden sie, Mischlinge aus slawischem und romanischem Blut, germanische Rassenschützler, weil sie so am besten das bodenständige Bauerntum zu verteidigen glaubten gegen den zukunftsträchtigeren landfremden Nomadentyp.
    Sie hatten nicht viel Metaphysik; aber sie spannten, daß sie trotz alldem das letzte Geschlecht waren, dem es vergönnt blieb, auf diesem Stück Erde so zu leben, wie man seit mehr als einem Jahrtausend dort gelebt hatte. Dieses dumpfe Wissen machte, daß sie nicht einmal an der Inflation die rechte Freude hatten. Manchmal, rülpsend nach einem guten Essen, steigend aus dem Bett eines gestellten Weibsbilds, knackend mit den Gelenken nach einer saftigen Rauferei, sagte einer, nachdenklich ohne ersichtlichen Grund: »Die gscherten Hammel, die damischen.«
5
Von den sieben Stufen menschlicher Freude
    Johanna, da Jacques Tüverlin sich in eine böse Stelle seiner Arbeit verbiß, die nicht nachgeben wollte, fuhr allein über Land. Sie fuhr kreuz und quer, Wald war da, Seen, Flüsse, dazu im Hintergrund immer die Berge. Häuser, Höfe, Ortschaften lagen bunt, sauber, gemächlich verstreut. Das Land war schön.
    Johanna war eins geworden mit dem kleinen, wendigen Wagen, den Tüverlin ihr geschenkt hatte. Sie

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