Erfolg
nicht voranging. Der Rechtsanwalt Geyer setzte auseinander, wie eingebettet in allgemeine Fragen der Politik der Fall Krüger liege. Sein Brief war brillant, geschliffen höhnisch, optimistisch, scharf logisch. Doch aus den handschriftlichen Zusätzen sah Johanna, ohne lang in ihren Kenntnissen graben zu müssen, daß es der Brief eines zerfahrenen Mannes war. Aus der Kanzlei des Kronprätendenten kam ein höfliches, nichtssagendes, dilatorisches Schreiben. Dr. Pfisterer aber, sosehr es den Kranken offenbar anstrengte, schrieb ihr mit der Hand, ausführlich, tröstlich, immer schweifend ins Allgemeine, sich klammernd an die Hoffnung, daß der Mensch vielleicht doch edel, hilfreich und gut sei.
Der Erfolg Tüverlins im Ausland stieg. Sein Ruhm mehrte sich, sein Geld mehrte sich. Er schenkte Johanna ihr eigenes Auto.
Manchmal dachte Johanna, es müßte schön sein, ein Kind von Tüverlin zu haben. Sie wollte mit ihm darüber sprechen, setzte an. Er merkte nichts. Sie ließ es.
Sie lebten ziemlich primitiv. Tüverlin hatte seine Haushälterin auf Urlaub geschickt, ein schläfriges, mundfaules Bauernmädchen aus der Gegend besorgte ihnen das Haus. Eines Tages aber tat das Mädchen den Mund auf und sagte, sie kriege ein Kind. Der Kerl, der dazu der Vater sei, wolle sich drücken, er werde bestimmt alles abschwören. Nun gebe es in der Stadt einen Arzt, zu dem alle Mädchen der Gegend in solchen Fällen gingen und der einem den Bankert billig und ohne Umstände wegnehme. Es waren nämlich damals strenge Strafen gesetzt auf Abtreibung der Frucht. Den Herren der Industrie, den Anhängern der Idee vom größeren Reich schien es nützlich, die Geburtenzahl nach Möglichkeit zu steigern, und ohne Rücksicht auf die Warnungen Helldenkender unterband man mit allen Mitteln die Geburteneinschränkung. Die Frauen, die, um ihre Gesundheit zu schonen oder um der Armut zu entgehen, Kinder nicht zur Weltbringen wollten, brauchten Heimlichkeit und vor allem Geld, um das Gesetz zu umgehen. Das Aufwartemädchen fragte Johanna, ob sie ihr nichts leihen könne.
Johanna sprach Tüverlin davon, in einer Arbeitspause, mit Dringlichkeit und Anteilnahme. Er mußte merken, daß sie ihm von anderem, von ihren eigenen Dingen reden wollte. Allein er merkte es nicht. Er meinte nur, es sei ärgerlich, daß man sich, kaum habe man sich an das dumme Gesicht des Aufwartemädchens gewöhnt, an ein neues gewöhnen solle. Er hoffe, die Geschichte werde sich in München in wenigen Tagen erledigen lassen. Damit gab er Johanna einige schwarzgrüne Dollarscheine für das Mädchen. Dann arbeiteten sie weiter an dem Hörspiel »Weltgericht«.
4
Das Land Altbayern
Das Land Altbayern war kein reiches Land. Vier Gebirgsruinen lagen in ihm. Sie waren Ur-Sache vieler Störungen gewesen; jetzt hatte sich der Boden beruhigt, es gab keine Beben mehr. Aber seine Schätze, Steinkohle, Zementmergel, waren in Tiefen gesunken, die nicht mehr genutzt werden konnten.
Das Gebiet des Landes Altbayern war ein harter, eckiger Strich des Planeten. Lag, schon vor der geologischen Neuzeit, an der Grenze zweier Welten, ein Einschiebsel, getrennt von der nördlicheren Welt, der südlicheren nicht ganz angeschlossen.
Das Land hatte Höhe und Weite, Berge, Seen, Flüsse. Seine Himmel waren bunt, seine Luft machte alle Farben frisch. Es war ein schön anzuschauendes Stück Welt, wie es sich herunterzog von den Alpen nach dem Strome Donau.
Die Bewohner des Landes waren seit alten Zeiten Ackerbauern, städtefeindlich. Sie liebten ihren Boden. Sie waren zäh und kräftig, scharf im Schauen, schwach im Urteil. Siebrauchten nicht viel; was sie hatten, hielten sie mit Händen, Zähnen, Füßen fest. Langsam, träg vom Denken, nicht willens, für die Zukunft zu schuften, hingen sie an behaglich derbem Genuß. Sie liebten das Gestern, waren zufrieden mit dem Heute, haßten das Morgen. Ihren Siedlungen gaben sie gute, anschauliche Namen, sie bauten Häuser, an denen das Aug sich weiden konnte, schmückten sie mit handfester Bildnerei. Sie liebten Gebrauchskunst jeder Art, hatten Sinn für bunte Trachten, für Feste, Komödienspiel, Prunk von Kirchen, Prozessionen, für reichliches Essen und Trinken, für ausgedehnte Raufereien. Auch auf die Berge zu steigen liebten sie und zu jagen. Im übrigen wollten sie in Ruhe gelassen sein, ihr Leben paßte ihnen, wie es war, sie waren mißtrauisch gegen alles Neue.
Das Zentrum dieses Bauernlandes, die Stadt München, war eine dörfliche Stadt mit
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