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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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bewegte seine Hebel mit gedankenloser Sicherheit wie ihre Glieder. Das Land war schön, aber es war ein ziemlich hartes Land mit einem Boden, der nie eben fortging, immer auf und ab, mitviel Winter und wenig Sommer, mit rauher, kräftiger Luft. Die Lungen, die Muskeln dieser jungen Frau Johanna Krain waren geboren für dieses Land; seine frischen Winde mit dem Schneehauch der Berge, sein Auf und Ab bekamen ihr gut.
    Auch Tüverlin bekam ihr. Es war nicht einfach mit ihm. Er war kein Menschenkenner, er war sogar scheußlich unpraktisch, er sah einem nichts an und machte viel falsch. Aber er verteidigte sich nicht lang, wenn er was falsch machte. Er sagte: »Fünfunddreißig Jahre ist man und noch so ein Esel.« Andere waren anders. Andere wollten manchmal im Unrecht recht behalten. Das begriff er nicht. Er hatte dann eine aufreizende Art, einen gutmütig, aber unerbittlich zu frotzeln. Man war nicht immer in der Stimmung für seine sicher nicht bös gemeinten, scharfen, frischen Worte. Man stieß sich manchmal an seiner kantigen Art.
    Wenn sie ihm reden würde von dem Kind, das sie haben wollte, er würde sein Gesicht noch mehr verfälteln, eine krause, komische Nase machen. Sicher wäre es sehr schwer, aus ihm herauszukriegen, ob er ein Kind wollte oder nicht. Wahrscheinlich, selbst wenn sie den Mut hat, mit ihm darüber zu reden, wird sich das Gespräch verflüchtigen in eine theoretische Diskussion über Bevölkerungspolitik oder dergleichen.
    Mit Martin Krüger wäre ein solches Gespräch leichter. Der konnte sehr gut eingehen auf Stimmungen. Bei dem hatte man nicht das Gefühl, man sei sentimental, wenn man ein klares Ja oder Nein hören wollte oder ein sicheres Tu das und jenes. Mit Martin Krüger war sie zusammengekommen, war mit ihm gereist, hatte Gutes mit ihm geteilt, auch Schlechtes. Auch mit Paul Hessreiter war sie gereist. Aber mit einem Manne zusammen gelebt, Arbeit, Bett, Tisch, Dach mit ihm geteilt wie jetzt mit diesem Jacques Tüverlin, hatte sie niemals. Dieser Jacques, von dem man nie wußte, wie man mit ihm daran war. Von seinem Bruder hatte er sich plump und einfach übers Ohr hauen lassen. Jetzt merkte er nicht, tagelang, daß sie mit ihm sprechen mußte. So blöd war er. Dennochlag ihr an der Meinung dieses Mannes mehr als an der irgendeines Menschen.
    Sie war in Kehren einen kleinen Berg hinaufgefahren. Überraschend öffnete sich die Sicht. Sie kannte diesen Blick, sie war oft hier oben; doch immer wieder war sie erstaunt, wie nah auf einmal die Berge waren. Dunkelblau, weiter oben strahlend weiß, lagen sie, scharfe Schatten, starkes Licht auf ihnen. Es waren viele Gipfel, sie schauten einer neben dem andern, hinter dem andern, schichteten sich, tief ins Tirolische hinein, über die italienische Grenze hinüber.
    Johanna hielt auf der kleinen Höhe, lehnte am Wagen, schaute auf die Gipfelkette, die großartig vor ihr lag. Nein, es war nicht ausdenkbar, daß sie wieder allein leben sollte, ohne Jacques Tüverlin. Es war unmöglich, daß das einmal aus sein sollte. Lieben war ein dummes Wort. Das Gesicht Jacques Tüverlins würde sich bestimmt auf eine unangenehme Art verfälteln, wenn sie ihm sagte, sie liebe ihn. Aber es war halt so, sie konnte es nur schlecht und einfach sagen: sie liebte ihn.
    Sie dachte, wie komisch er ausschaute, wenn er im Bett lag, das eine Bein hochgezogen wie ein Storch, mit einem Gesicht wie ein Bub, einem Gesicht, dem man weiß Gott nicht ansah, was es schon alles erlebt und erdacht hat. Sie verglich ihn mit den übrigen Männern, mit denen sie geschlafen hatte. Seine kräftige, behaarte Brust, seine schmalen Lenden, sein nacktes, häßliches, komisches Gesicht, das sich zuweilen sogar im Schlaf zerfältelte. Ein komischer Mann, ein dummer Mann, ein häßlicher Mann: der schönste, gescheiteste, geliebteste Mann, den es auf der Welt gab. Er hätte, Herrgottsakra, von selber darauf kommen müssen, was sie wollte.
    Es war großartig einsam hier oben. Die Zeit zu Autotouren ins Gebirge war vorbei; es fing an, kalt zu werden. Auch war die Straße ein Umweg, nicht besonders gut gehalten, befahren nur von denen, die das Land liebten.
    Johanna stieg aus, stapfte ein bißchen herum, sich die Füße zu wärmen. Einmal war alles einfach gewesen, das war, als sie in der Badeanstalt schwamm vor München, in der grünenIsar. Jetzt ging es ihr so gut, und es war gar nicht mehr einfach. Wie wird das, wenn Krüger aus Odelsberg herauskommt? Sie hatte plötzlich die drei Furchen

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