Erfolg
Universität, den Geheimrat Kahlenegger, der die Altersgrenze längst überschritten hatte. Es bestanden nämlich drei Lehrstühle für Geschichte an der Münchner Universität. Einer war nach den Bestimmungen des mit dem Papst abgeschlossenen Konkordats abhängig von der bischöflichen Genehmigung und somit besetzt mit einem zuverlässigen Katholiken. Die zweite Professur war bestimmt vor allem für bayrische Landesgeschichte, somit naturgemäß besetzt mit einem zuverlässigen Katholiken. Die dritte, repräsentativste, einst von König Max II. für den großen ForscherRanke gestiftet, hatte zur Zeit der alte Geheimrat Kahlenegger inne. Der hatte sein Leben der Erforschung der biologischen Gesetze der Stadt München gewidmet. Hatte, mit manischem Eifer Material zusammentragend, alles kosmische Geschehen, alle geologischen, biologischen, paläontologischen Erkenntnisse starr auf die Geschichte seiner Stadt München bezogen mit dem Ergebnis, daß die Stadt naturnotwendig eine bäuerliche Siedlung geworden sei und bleiben müsse. Dabei war er nie in Widerspruch geraten mit den Lehren der Kirche, hatte sich vielmehr immer als zuverlässiger Katholik erwiesen. Außerhalb Münchens freilich bezeichnete man sein Endergebnis, trotzdem die Einzelheiten des Materials stimmten, als sinnlos, denn der Gelehrte habe die durch die Technik bewirkte Unabhängigkeit des Menschen vom regionalen Klima und die sozialen Veränderungen der letzten Jahrhunderte übersehen. Die Fakultät nun beabsichtigte, sollte der Geheimrat Kahlenegger pensioniert werden, einen Mann vorzuschlagen, der freilich Bayer, aber Protestant war. Ja, dieser von der Universität begönnerte Mann war in einem Buch über die vatikanische Politik gegen England zu dem Ergebnis gekommen, die Maßnahmen des Papsttums gegenüber der Königin Elisabeth hätten den Grundsätzen der christlichen Moral nicht entsprochen, der Papst habe von den Mordanschlägen der Maria Stuart vorher gewußt und sie gebilligt. Dr. Flaucher war also entschlossen, die Berufung dieses Mannes zu verhüten und den Geheimrat Kahlenegger von den Bestimmungen der Altersgrenze auszunehmen.
Dr. Geyer, während sich Flaucher weitläufig, fast schwärmerisch über die Bedeutung Kahleneggers erging, betrachtete den alten Professor, der im Nebenzimmer am Tisch der Großkopfigen saß. Lang, trotz seiner Magerkeit sehr plump, hockte er; der hagere Schädel, dünn, mit breiter, höckeriger Nase, drehte sich auf dem riesigen, ausgetrockneten Hals, äugte aus sonderbar stumpfen, hilflosen Vogelaugen in die Runde. Manchmal tief aus dem Kehlkopf holte der Greis seine Stimme, die, so laut sie war, marklos und überaus angestrengtklang, und äußerte einige druckreife, langfließende, leblose Sätze. Dr. Geyer dachte daran, wie lange dieses Greises Urteilskraft nun schon versiegt war. Das ganze akademische Deutschland begann allmählich über den Mann zu lachen. Denn er hatte seine letzten zehn Jahre in den Dienst einer einzigen Idee gestellt; er erforschte die Geschichte des ausgestopften Elefanten in der Münchner zoologischen Sammlung, jenes Elefanten, der bei der abgeschlagenen Belagerung Wiens durch den Sultan Soliman II. in die Hand des Kaisers Maximilian II. gefallen und später von diesem dem bayrischen Herzog Albrecht V. geschenkt worden war.
Dr. Geyer hatte nichts gegen Kahlenegger, manches gegen die bieder und überzeugt vorgetragenen Übertreibungen des Flaucher. Plötzlich mit seiner hellen, unangenehmen Stimme sagte er: »Und die vier Elefantenbücher Ihres Kahlenegger?«
Schweigen entstand. Dann legten der Dr. Pfisterer und der Flaucher fast gleichzeitig los. Dr. Pfisterer rühmte die heimatkundlichen Forschungen des alten Geheimrats, in denen Wissen und Gemüt unlöslich vermengt seien. Ob denn der Dr. Geyer im Ernst glaube, solche heimatkundlichen Forschungen seien unwesentlich? »Wir wollen aus dem Elefanten des Kahlenegger keine Mücke machen«, sagte er gutmütig. Der Flaucher hingegen meinte ernst und mißbilligend, wenn einzelne für den Gefühlswert solcher Forschungen keinen Sinn hätten, das Volk als Ganzes lehne eine derartig amerikanische Einstellung entschieden ab. Die Volksseele hänge an diesem Elefanten, wie sie an den Frauentürmen hänge oder an sonst einem Wahrzeichen der Stadt. Dem Herrn Abgeordneten Geyer freilich, schloß der Minister mild, könne man es nicht verübeln, wenn er dafür das rechte Verständnis nicht aufbringe. Denn solche Gefühle seien nur denen zugänglich,
Weitere Kostenlose Bücher