Erfolg
werde verdrängt, aufgelöst von dem leichten, nomadischen Typ. Eine große, allgemeine Vermengung bereite sich vor, habe schon begonnen.
Der Minister schaute dem Wagen der Exoten spöttisch, angewidert nach. Na, er wird erfreulicherweise diese schönen Zeiten kaum mehr erleben. Er hat an sich nichts gegen Fremde. Mag sein, daß etwa die Chinesen Repräsentanten einer viel älteren, reiferen Kultur sind als die Bayern. Aber ihm schmecken Knödel und Weißwürste besser als gebackene Haifischflossen, er liest die Bücher des Lorenz Matthäi lieber als die des Li Tai-po. Er denkt nicht daran, sich auffressen zu lassen von einer fremden Kultur.
Eine bisher noch nie bemerkte Gedenktafel am Wegrand fiel ihm auf, wie sie ihrer zu Tausenden an den bayrischen Straßen herumstanden, zur Erinnerung mahnend an einen Verunglückten. Er stoppte, betrachtete interessiert die naive Bauernmalerei, die darstellte, wie ein ehrengeachteter vierundfünfzigjähriger Ökonom auf sehr farbige Art mit seinem Heuwagen in die Tiefe stürzte. Darunter forderte eine klobig versifizierte Inschrift den Wanderer auf, für die Seele des zu Tode gekommenen Landwirts zu beten. Gott werde sich seinererbarmen, da er ein Weib gehabt habe, das ihm schon auf Erden sogar das Wirtshaus zur Hölle machte. Der Minister las schmunzelnd die pfiffig derbe, augenzwinkernd mit Gott feilschende Reimerei. Er interessierte sich sehr und von innen her für solche Dinge. Hatte sich wie viele seiner Landsleute von jeher liebevoll und gründlich damit befaßt. Wußte eine Menge Kuriosa, bayrische Historie und Ethnographie betreffend. Wußte zum Beispiel genau, warum er Klenk hieß, nicht etwa Glenck oder Klenck , und konnte mit dem Schriftsteller Dr. Matthäi, dem besten Kenner auf diesem Gebiet, über winzige dialektische Nuancen einen stundenlangen, wohlfundierten Disput führen.
Ein zweiter Wagen hielt neben dem seinen. Irgendein Neugieriger musterte Bildtafel und Inschrift, ein unbayrischer Mund rezitierte mühsam und verständnislos die Verse. Ein Norddeutscher natürlich. Es sind bald mehr Fremde da als Einheimische. Hotels und Fremdenbars ersticken schon fast die Häuser der Landsässigen. Er muß wirklich einmal eine Statistik einsehen, wieviel Nichtbayern sich hier seit dem Krieg eingenistet haben.
Er fuhr mit gesteigerter Geschwindigkeit weiter, seine Haltung war gestrammter. Er dachte unvermittelt an den Rechtsanwalt Dr. Geyer. Er sah den rotblonden, dünnhäutigen Kopf des Anwalts vor sich. Seine dringlichen Augen unter der dicken Brille, seine zappeligen, nur mit Energie beherrschten Hände. Die helle, unangenehme Stimme stand fast körperlich vor ihm. Dr. Klenk biß stark auf das Mundstück seiner Pfeife. Den wenn er einmal vors Korn kriegt, das wäre eine gesunde Mahlzeit. Logik, Menschenrechte, Reichseinheit, Demokratie, zwanzigstes Jahrhundert, europäische Gesichtspunkte: einen Schmarrn. Er schnaubt durch die gepreßten Lippen, knurrt wie ein aufgeregtes Tier gegen den Feind. Was versteht so ein Wichtigmacher wie der Geyer, so ein Gschaftelhuber und Streber, so ein Saujud, von dem, was in Bayern und für Bayern recht ist. Es hat ihn niemand gerufen. Hier will niemand besser gemacht werden. Höchstens wennso ein damischer Hammel hereinriecht mit seinem Papierschädel, dann wird das Bier sauer.
Bald wieder unter dem klaren, hohen Himmel des bayrischen Junitags verdunstet sein Zorn. Der Minister Dr. Klenk ist ein gescheiter Mann und ein vielwissender Mann. Ausgezeichneter Jurist, aus wohlhabender, altkultivierter Familie, die dem Land seit Generationen hohe Beamte stellt, sich verstehend auf Menschen und seine Materie, könnte er natürlich, wenn er nur wollte, dem Dr. Geyer Gerechtigkeit widerfahren lassen. Aber er denkt nicht daran zu wollen.
Er war am Südende des langgestreckten Sees. Schön standen die Berge, deutlich in den Konturen, blau und grün. Es war das angenehmste Wetter, prachtvoll zu fahren. Er steigerte die Geschwindigkeit, hockte gelassen, locker am Steuer, ließ seine Gedanken kraus und quer gehen, kinderspielzeughaft bunt wie die saubere, starkfarbige Landschaft.
Ein Bild spürt man oder man spürt es nicht, man braucht nicht soviel Sauce darum zu machen wie der Krüger. Immerhin, der Krüger hat einen offenen Kopf. Warum muß dieser Lalli der bayrischen Politik in ihre Maschinerie hineintapsen? Warum muß er aufbegehren? Kann der Sauhammel nicht das Maul halten? Wer hat es ihm geschafft? Wo es um bayrische Dinge geht, ja, mein
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