Erfolg
von seinem Wein, betrachtete durch den Rauch die Köpfe seiner Tischgenossen. Josef Wieninger war der landesübliche Rundschädel; aus dem rosig blassen, blonden Gesicht schauten gutmütige, wässerige Augen; langsam, verträglich kaute er zwischen Würsten Satzbrocken hervor. Ambros Gruner hingegen trug den Schnurrbart forsch aufgezwirbelt, hatte auftrumpfende Bewegungen, hielt den dicken Bauch feldwebelmäßig stramm, rieb ihn am Tisch. Erging sich in starken Wendungen gegen die Regierung. Was eigentlich suchte Dr. Geyer zwischen diesen Leuten? Er wußte genau, so verschieden etwa die beiden Männer sich gaben, sie würden auf Worte des Kultusministers auf die gleiche Art reagieren, sie ließen sich bestechen durch derb gemütliche Umgangsformen. Man hatte den gleichen seelischen Boden, war trotz sozialistischen Geredes breiig zäh in der gleichen bäurischen Ideologie befangen.
Aus dem Nebenzimmer hörte man jetzt deutlich die knurrende Stimme des Dr. Flaucher. An seinem Tisch unterhielt man sich lärmend, stritt über Bismarck, das Reservatrecht derbayrischen Notenbanken, die Todesursache des eben ausgegrabenen ägyptischen Königs Tut en Kamen, die Qualitäten des Spatenbräubiers, die Verkehrspolitik Sowjetrußlands, den stammeseigentümlichen bayrischen Kropf, den Expressionismus, die Küche der Restaurants am Starnberger See. Immer wieder kehrte das Gespräch zurück auf das Aktporträt der Anna Elisabeth Haider. Es hatte sich aus der Galerie Novodny das Gerücht verbreitet, das Bild sei verkauft, nach München verkauft, an eine Persönlichkeit von Einfluß und zu einem ansehnlichen Preis. An wen, wurde nicht gesagt. Man riet auf den Baron Reindl, den Großindustriellen. Argwöhnte hierhin, dorthin. Stritt über die Qualität des Bildes. Der Dr. Matthäi, der Schriftsteller, wird in der nächsten Nummer seiner Zeitschrift das Gedicht veröffentlichen, von dem er gestern dem Kommerzienrat Hessreiter gesprochen hatte, er trug es bereits fertig im Kopf, er rezitierte die kräftigen, geschmalzenen Verse. Sie kamen dick, bösartig aus seinem von Säbelhieben zerhackten Gesicht; hinter dem Kneifer beobachtete er, ein gieriger Köter, die Wirkung. Man lachte dröhnend, trank ihm zu. Er, die Pfeife wieder zwischen den Lippen, setzte sich zurück, satt, befriedigt. Aber der Dr. Pfisterer, der andere Schriftsteller der Tafelrunde, fand das Gedicht zynisch. Er meinte, die Anna Elisabeth Haider, hätte man sie nicht so gehetzt, hätte sicherlich ins Gesunde heimgefunden. Auch der Dr. Pfisterer trug wie der Dr. Lorenz Matthäi eine graue Joppe, auch er schrieb umfängliche Geschichten aus den bayrischen Bergen, die ihm Erfolg überall im Reich brachten. Allein seine Geschichten waren optimistisch, rührten ans Gemüt, schufen Erhebung; er glaubte an das Gute im Menschen außer in dem Dr. Matthäi, den er haßte. Sie saßen sich gegenüber, die beiden bayrischen Schriftsteller, mit roten Köpfen, maßen sich hinter ihren Kneifern aus kleinen Augen, der klobige, zerhackte hielt den Schädel gesenkt, der andere stieß den rotmelierten Vollbart erregt, ein wenig hilflos vor.
Alle zeterten jetzt aufeinander los. Siegerin in dem Geschrei blieb schließlich, trotzdem sie nicht laut war, die Stimme desProfessors Balthasar von Osternacher. Ihre biegsame, beharrliche Eleganz übertönte die andern, eifernd gegen das tote Mädchen. War er etwa nicht ein Revolutionär? War er nicht immer eingetreten für unbedingte Freiheit der Kunst auch in der Darstellung des Erotischen? Aber solche Malerei war ein eindeutiger physiologischer Vorgang, war Selbstbefriedigung einer unbefriedigten Frau, hatte mit Kunst nichts zu schaffen.
Die Kellnerin Zenzi lehnte an der Anrichte, hörte zu, sah besorgt, wie der Professor von Osternacher vor Eifer die Würstchen kalt werden ließ. Sie wußte Bescheid um die Stellung ihrer Stammgäste in der Wertung der Welt und der Kenner. Sie hörte vieles, es war nicht schwer, es zusammenzureimen. Über manche Ereignisse in Politik, Wirtschaft, Kunst hätte sie überraschende, gutfundierte Aufschlüsse geben können. Sie wußte auch, warum der Professor von Osternacher sich so ereiferte und die Würstchen kalt werden ließ.
Er war ein großer Mann, der Professor, verankert in der Kunstgeschichte, berühmt und hochbezahlt vor allem jenseits des Ozeans. Die fremden Gäste, nannte sie ihnen seinen Namen, schauten neugierig und ehrfürchtig her. Aber die Kassierin Zenzi erinnerte sich gut seines verzerrten
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