Erfolg
gekauft.
Als Klenk läutete, bellte ein Hund stark und anhaltend. Die gelbhäutige Haushälterin Agnes erschien, mißtrauisch, gab mürrische, halbe Auskunft. Zu Hause sei der Herr nicht, es sei ganz unbestimmt, wann man ihn antreffen könne, er empfange niemand. Hinter dem abziehenden Klenk kläffte wütend der Hund. Die gelbgesichtige Frau schaute ihm böse nach.
Dem Klenk machte das nichts. Es war herrliches Wetter, die Gegend war schön. Der Geyer wird spazierengehen, er wird den Geyer schon finden. Es war angenehmer fast, mit ihm im Freien zu reden, in dieser schönen, weiten Gegend, als in vier engen Wänden.
Klenk logierte sich in dem netten, kleinen Hotel ein. Erfuhr, Dr. Geyer sei ein stiller Herr, von dem man wenig höre und der wenig benötige. Er stehe ganz unter dem Pantoffel Madames, seiner Haushälterin oder vielleicht auch seiner Frau, das wisse man nicht.
Gegen Abend des zweiten Tages, weglos durch das dichte Unterholz der Berge spazierend, zwischen Ginster, Thymian und Lavendel, stieß Klenk auf seinen Mann. Er saß auf einem Felsblock, stierte auf die blaue See, sah ausgezehrt aus, verfallen. Klenk sah ihn als erster. Dr. Geyer, als der riesige Mann in der Lodenjoppe mit seinen mächtigen Stiefeln heranstapfte, wurde fahl, begann zu zittern. Dem Klenk war berichtet worden, Dr. Geyer habe sich bei jenem Attentat und bei den peinlichen Vorgängen anläßlich der Bestattung Erich Bornhaaks keineswegs schwächlich verhalten. Aber Klenk hatte auch gehört, daß der Schrecken über ein Unerwartetes einen Menschen oft erst viel später überkommt. Solch eine damals nicht verspürte Angst mochte jetzt den Anwalt gepackt haben, als er den Feind heranstapfen sah.
Dem Klenk war das unlieb. Er war nicht als Feind hierhergekommen. Er wollte wissen, was aus dem Mann geworden war, vielleicht auch wollte er ihn ein wenig frotzeln, das war alles. Erich Bornhaak war tot, Simon, der Bams, lebte. Im übrigen saßen sie beide auf Altenteil, Klenk auf seinen Erinnerungen, Geyer auf seinem Buch »Recht und Historie« oder wie das Ding hieß. Feindschaft gegen den dünnen Anwalt? Nein.
Er redete also gemütlich auf Dr. Geyer ein, in seiner nettesten Art, damit der sich bald wieder erkrafte. Aber Dr. Geyer erkraftete sich nicht. Klenk sah bald, daß Dr. Geyer sich wohl sein Leben lang nicht mehr erkraften werde. Er saß da, gerötet, dünnhäutig, stark blinzelnd, mit dem weiten, etwas schmuddeligen Rock und den langen, vom Unterholz zerrissenen Hosen nicht recht in die große, stille Landschaft passend, heillos flatterig und zerfasert. War das der Mann, der dem Klenk zeitweise als ebenbürtiger Gegner erschienen war? Das war überhaupt kein Mann mehr, das war ein Ding geworden.
Dieses Ding Geyer hockte auf dem Stein. Klenk sprach mit dem Ding Geyer, das Ding Geyer verfolgte Gedankengänge aus früheren Jahren, und wenn man da anzapfte oder dort, dann kam etwas heraus wie eine Antwort, manchmal sogar eine beschlagene, intelligente Antwort. Schließlich ging Klenk mit dem Ding Geyer nach Hause, aß mit dem Ding Geyer zu Abend. Andern Tages fuhr er zurück nach Berchtoldszell.
Es war eine schöne Fahrt gewesen, und es war eine schöne Gegend gewesen, und überhaupt pflegte Otto Klenk eine Unternehmung niemals zu bereuen. Aber er konnte nicht behaupten, daß die Verwandlung seines Feindes Geyer ihm Freude bereitet hätte. Er strich aus seinen Erinnerungen die Seiten, die von dem Abgeordneten Geyer handelten.
21
Die Tante Ametsrieder greift ein
Tüverlin arbeitete. Es gab in ihm viele Bilder, seinem Wesen enger verknüpft, die an den Tag wollten: er aber hatte gerade diesen albernen, unbehaglichen Stoff Bayern gewählt. Er hatte den Auftrag.
Daß er seinerzeit durch die Revue die Amnestie Krügers erreichte, war ihm durch Zufall, durch Glück, in den Schoß gefallen. Der Weg zur Verwirklichung Krügers, den er jetzt zu gehen hatte, erforderte heiße, methodische Bemühung. Er arbeitete. Beschlich seinen Stoff von vielen Seiten, kreiste ihn ein. Erkannte immer schärfer die ewige Wiederkehr des gleichen in den Menschen, ihr besitzerhaft Hartes, ihren dumpf wütigen Zorn gegen die Notwendigkeit, gegen die Bedrängung des Bodens durch die Industrie. Spürte das, hob es ans Licht. Er sah, was er gemacht hatte: es stand da in harter Klarheit, es war gut.
Es war miserabel. Es war Erkenntnis, nichts weiter, es war immer noch der Essay. Erkenntnis allein genügte nicht: Kunst wird nur, wenn Erkenntnis mit Liebe oder Haß
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