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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die er vollgeschrieben hat. Soll das immer so tot liegenbleiben, nur für ihn allein? Heute wenn Tüverlin da wäre, würde er sich nicht beherrschen. Warum, wütet er inseinem Innern, macht dieser Matthäi nicht seinen Brotladen auf und sagt, er wolle was hören?
    Der Matthäi brannte darauf, etwas zu hören. Aber er fürchtete, wenn er das sagte, dann werde der Klenk ihn abfahren lassen. So hockte er also auf der Holzbank und wartete, und der Klenk stand vor dem Schreibtisch und wartete. Schließlich, da dieser Matthäi offenbar ein Vorhängeschloß vor dem Maul hatte, riß Klenk, ungestüm geradezu, die Schublade auf, kramte das Manuskript vor, blätterte darin. Minuten vergingen, Matthäi sagte nichts. Da begann Klenk zu lesen, mitten heraus, ohne Einleitung.
    Es waren aber Otto Klenks Erinnerungen eine Sammlung von Porträts. Freundliche Augen hatte er nicht, der Minister Otto Klenk, zu Grabinschriften wären seine Schilderungen nicht zu brauchen gewesen. Die Menschen, die er auf seinem Wege getroffen hatte, waren viele und verschiedene, aber Gelump und Gesindel, fand er, waren sie alle. Allein wie etwa einen Insektenforscher, der tausend Seiten über Wanzen schreibt, die Liebe zu seinem Gegenstand packt, so war dem Klenk beim Schreiben eine freudige Wut gekommen. Er war ein geschulter Jurist, er konnte, wenn er wollte, verwickelte Dinge sehr gut im Zusammenhang darstellen. Hier aber verzichtete er auf Zusammenhang, auf abgewogenes Urteil. Mit Behagen und Zorn bilderte er seine Menschen ab, mit glühender Unsachlichkeit. Und wie ein bayrischer Bauernbub, wenn das Rauferts zu Ende ist und der andere abzieht, nochmals eine Handvoll Mist zusammenballt und diesen Ball dem andern nachschmeißt, so, wenn er mit der Schilderung eines seiner Menschen zu Ende war, schrieb er an den Rand noch ein paar üppige Anekdoten und Züge. Er ließ sich ganz gehen, er führte einen wilden, triumphierenden Watschentanz auf, einen großartigen, altbayrischen Amoklauf. Ringsum prasselten die Schläge, auf die Gefallenen nochmals haute er ein, strahlend, besessen. Der Matthäi hockte da, rauchte, paßte auf wie ein Haftelmacher, war hingerissen. So was war auch ihm von früh auf als letztes schriftstellerisches Idealvorgeschwebt, aber er mußte literarisch repräsentieren, er durfte sich das leider nicht leisten.
    Klenk war gespannt, wie sein Geschriebenes auf den Matthäi wirken werde. Gierig, während er las, äugte er nach dem vierschrötigen Mann. Der, als Klenk aufhörte, schimpfte mörderisch. Das sei fades, dilettantisches Gestümper, Ausbrüche einer gekränkten Leberwurst, urteilslos, zusammenhanglos; das Deutsch sei willkürlich, grotesk untermengt mit beamtenhaften Wendungen. Den Klenk füllte dieses wüste Geschimpfe mit Genugtuung; er mußte auf Matthäi ungeheuren Eindruck gemacht haben. Aufgekratzt wie seit langem nicht mehr, ließ er sich in einen gewaltigen Streit ein. Man müsse, sagte Matthäi, sich als Bayer schämen, daß man Jahre hindurch einen Menschen von so geringer Urteilskraft zum Justizminister gehabt habe. Über den Matthäi, sagte Klenk, stünden auch einige saftige Sätze in dem Manuskript, aber die sage er ihm jetzt nicht. Die seien bestimmt als Marterl für den Matthäi, und er hoffe, wenn der andere erst abgekratzt sei, sein Herz noch lange an diesem Marterl zu erfreuen. Sie tranken ein Bier, und noch eins, und einen Wein, und noch einen, und mitten in der Nacht noch mußte die Veronika Eier mit Schinken und einen Salat machen.
    Erst als es gegen Morgen ging, sehr befriedigt und noch keineswegs zu Ende, schieden die Männer. »Kommen Sie bald wieder«, rief Klenk dem Matthäi nach, »ich brauche noch Stoff für Ihr Marterl.«
    Der Eindruck seiner Vorlesung machte dem Klenk noch schärferen Appetit, den Schicksalen derer nachzuspüren, die in seinen Erinnerungen auftauchten. Vor allem kratzte es ihn, den Geyer zu sehen. Es verlautete, Geyer habe sich in einem kleinen Ort an der südfranzösischen Küste angekauft. Klenk beschloß, ihn aufzusuchen.
    Er fuhr hinunter, im Wagen, über die frühsommerlichen Schweizer Pässe, randvoll von Kraft und Spannung.
    Der kleine Ort, an dem Geyer wohnte, war ein Fischerdorf. Dunkel bewachsene Hügel liefen die Küste entlang bisnah herunter an die See. Pinien, Kastanien, Korkeichen. Seit dem Krieg war die Gegend, vor allem von Engländern, neu und stark besiedelt. Kleine Landhäuser zogen sich über dem Dorf die Höhen hinan. Ein solches Häuschen hatte Geyer

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