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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Variationen: »La montagne est passée.«
    Andern Tages fuhr er zu Johanna. Teilte ihr mit, Mr. Potter habe da eine merkwürdige Idee. Die Bücher Martin Krügers hätten es dem Amerikaner angetan. Mr. Potter wolle nun, daß er, Tüverlin, im Rahmen eines Films Leben und Ende Martin Krügers erzähle. Mr. Potter, durch seine Verbindungen, wolle diesen Film propagieren, dergestalt, daß Tüverlin zur ganzen Welt reden könnte.
    Er blinzelte hinüber zu Johanna. Sie sagte nichts; aber er sah, wie die ganze Frau sich spannte. Er saß da, harmlos, listig, trank Tee. Da sie hartnäckig schwieg, sprach er schließlich weiter. Was er zum Fall Krüger zu sagen habe, habe er bereits in jenem Essay geäußert. Ein ausgezeichneter Essay, wie er bei nochmaliger Lektüre habe feststellen können, aber für die Zwecke Mr. Potters kaum geeignet. Es fehle ihm an Feuer für eine Sache, die von der Leinwand herunter an die ganze Welt gehen sollte, an Schwarze und Gelbe, an Braune und Weiße, an Geschäftemacher und Asketen, an Intelligente und Politiker.
    Johanna schwieg noch immer. Soll er weiterreden? Er hatte große Lust. Es war eine gute Eingebung, daß er es nicht tat.
    Sie saß da, benommen, und klemmte ihre Oberlippe ein.
    Das waren natürlich lauter großmütige Lügen. Der Essay brannte in hellem Feuer, nur in einem ganz andern als in dem gemeinen von Liebe und Haß. Sie war gerührt und zärtlich, daß der Mann um ihretwillen sein Werk verleugnete. Nach einer Weile sagte sie also: »Ja, fürs Kino ist das vielleicht wirklich nicht das richtige Feuer.« Er beschäftigte sich eifrig mit seinem Tee, sein Gesicht war zerfältelt und kraus, ein kleines Kind konnte ihm kilometerweit ablesen, wie listig und gespielt seine Harmlosigkeit war. Sie las es ab und mußte herzhaft lachen. Woraufhin er aufstand und nun auch dieses große Mädchen zum Oktoberfest einlud, allein erst, nachdem er sie geküßt hatte.
    In einem großen, blauweißen Bierzelt, inmitten von Münchnern, die ihr Leben lärmvoll genossen, fragte Johanna Krain den Schriftsteller Tüverlin, ob er es für möglich halte, daß an seiner Stelle sie in Mr. Potters Tonfilm mitmache. Ohne seine Antwort abzuwarten, sagte sie heraus, was alles sich in ihr gestaut hatte. Inmitten von Lärmenden und Besoffenen, inmitten von altmodischen Liedern, man könne sie halt nicht kriegen, die Fliegen, und was brauche denn ein Bauer einen Hut, inmitten von Blechmusik, Bier, Brezeln, Würsten, am Spieß gebratenen Fischen, Gegröl und Gestank, sagte sie ihm, wiees all diese Monate hindurch an ihr gezehrt habe, daß man sie nicht habe reden lassen, und daß die Bücher Krügers den gemarterten Mann ganz verdeckten, und wie erlöst sie sei, weil jetzt eine Hoffnung heraufkomme, sie werde dennoch reden können. Tüverlin blinzelte sie an, und dann schlug er vor, sie sollten eine Brezel reißen, was unter jenem Volksstamm als ein Zeichen besonderer Vertrautheit galt, und sie hackten jeder einen Finger in eine gesalzene Brezel und zerrissen sie. Die Blechmusik spielte: solang die grüne Isar durch die Stadt gehe, solang höre dort die Gemütlichkeit nicht auf, und dann den Stierkämpfermarsch, und dann wieder: ein Prosit der Gemütlichkeit. Tüverlin sang mit, und er und Johanna tranken aus den großen, grauen Krügen.
22
Das Buch Bayern
    Johanna arbeitete. Der Film Martin Krüger war in Angriff genommen. Mit Hilfe eines Films, der gestützt war durch das Geld und die Macht des Kalifornischen Mammuts, an die Nerven und das Gewissen der Menschen heranzukommen, war eine unerwartete, einmalige Gelegenheit. Sie wollte bis ins Letzte ausgenutzt sein. Es war harte Arbeit. Oft klaffte ihre Wahrheit und die Wirksamkeit, die ihre Mitarbeiter mit Recht forderten, unüberbrückbar auseinander. Ließ sich, was sie wollte, überhaupt ausführen? Kann man seine Bitterkeit und heiße Empörung hinstellen vor Aufnahmeapparate, Linsen, Operateure? Kann man seine Seele photographieren?
    Jacques Tüverlin sah, wie sie sich abarbeitete. Er hätte ihr gerne geholfen, aber niemals geradezu sprach er ihr von dem Film, um den sie sich quälte. Die Sache forderte, daß die Arbeit von ihr getan wurde. Er ist ein Hereingeschmeckter : Johanna ist ein Stück Bayern. Bayern selber mußte gegen Bayern Zeugnis ablegen. Er hatte jetzt das rechte Aug bekommenfür Johanna Krain und für ihr Land und begnügte sich, ihr auf die stille, vorsichtige Art zu helfen, die allein sie nicht verscheuchte. Mit Behutsamkeit holte er

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