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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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den damischen Zeiten des Krieges und der Revolution, die lebendige Ordnungszelle des Reichs. Sicher wie auf dem festen Boden der Hochebene stand die schöne Stadt auf ihrer kräftigen Tradition.
    Ungefähr vierzehn Tage nach der Premiere der Münchner Revue wurde in Berlin der Film »Martin Krüger« zum erstenmal aufgeführt.
    Tüverlin fuhr hin. Er saß in einer Loge hinten im Parkett auf einem blauen Stuhl. Es waren noch drei fremde Menschen in der Loge. Er war gespannt in allen Fibern. Er wußte von dem, was auf der Leinwand vorgehen wird, nicht mehr als die drei Fremden. Er hatte Johanna die ganze Zeit nichts gefragt.
    Es wurde dunkel, auf der Leinwand erschien Johanna Krain. Sie stand auf einem Podium vor einem niedrigen Pult. Sie war sehr groß, doch ihr Gesicht schien nicht so breit wie im Leben. Tüverlin kannte genau das geknotete Haar, die langenAugen, die harte Stirn, die Art, die Oberlippe zwischen die Zähne zu klemmen. Allein wie sie zu sprechen anhub, wie die Stimme aus dem Apparat kam, nicht laut und dennoch raumfüllend, da war dieser Schatten ihm erschreckend fremd. Er war gewohnt, mit Apparaten, mit mechanischen Dingen umzugehen, ihr Wesen war ihm vertraut: jetzt seit Jahren zum erstenmal ängstigte ihn das gespenstisch Beseelte eines mechanischen Vorgangs.
    Er rutschte auf seinem blauen Stuhl, zerknüllte nervös das Programm. Er wußte um das Zufällige jeden Erfolgs; dennoch prickelte ihm die Haut vor Erregung. Er sagte sich, es beweise nichts für noch gegen die Sache Martin Krügers, ob das tönende Bild da vorn heute Wirkung tue oder nicht. Dennoch verdroß ihn, daß ringsum Geräusper war, halblautes Gerede, klappende Sitze. Ihm schien, als seien die Zuschauer mit dem Vorsatz gekommen, kalt zu bleiben, als warteten sie ungeduldig den zweiten Film ab, mit dem der Film »Martin Krüger« zusammengespannt war. Die Leute, mit denen er die Loge teilte, machten schnodderige Bemerkungen. Was denn? Es ging um alte Geschichten von einem toten Mann und einem vergilbten Prozeß, und das wollten sie gar nicht wissen. Tüverlin sagte sich, als naiver Zuschauer dächte er vermutlich kaum anders; dennoch kratzte ihn das Geschwätz.
    Die Frau auf der Leinwand, die Augen halbschräg vor sich, sagte: »Viele von Ihnen haben die Bücher Martin Krügers gelesen. Sie haben das Kapitel gelesen ›Ich hab’s gesehen‹. Hören Sie, ich hab’s gesehen. Es waren dreiundvierzig Tage vor seinem Tod, da habe ich Martin Krüger gesehen. Man hat amtlich festgestellt, die Ärzte hätten es nicht an der notwendigen Sorgfalt fehlen lassen. Man muß den Mann sehr ohne Wohlwollen angeschaut haben, wenn man nicht sah, daß er vom Tode bedroht war. Bitte, glauben Sie mir. Ich hab’s gesehen.«
    Die Art, wie die Frau auf der Leinwand den Blick hob und ihm unerwartet gradaus in die Augen schaute, die Art, wie sie sagte: bitte, glauben Sie mir, machte, daß Jacques Tüverlin dieNägel ins Fleisch bohrte. Denn er hatte Lust aufzuspringen und laut irgend etwas Törichtes hinauszurufen: ja, ja oder so etwas. Aber das ging nicht. Er konnte sich nur ein bißchen räuspern und einen leisen, knurrenden Laut ausstoßen. Den aber hörten alle, denn es war jetzt sehr still im Saal.
    Es erzählte nämlich die Frau auf der Leinwand von ihrem Kampf um den Mann Krüger. Sie erzählte, wie sie von dem Justizminister Klenk zu dem Reichsjustizminister Heinrodt gegangen war, auch von dem Minister Hartl erzählte sie und dem Minister Flaucher. Manchmal verschwand ihr redendes, lebendiges Gesicht, und statt seiner erschien, während die Stimme fortklang, der Kopf eines der Männer, von denen sie sprach. Es waren bayrische Köpfe, wie man ihnen auf allen Straßen begegnete, höchstens der lange, gewalttätige Schädel des Klenk sah anders aus als einer aus dem Dutzend. Allein in der riesenhaften Vergrößerung des Films und während die Stimme erzählte, bekamen die Köpfe einen besonderen Aspekt. Der massige, viereckige Kopf des Franz Flaucher rückte hin und her über einem unbequemen Kragen, und dann rieb ein lächerlicher, dicker Finger zwischen Hals und Kragen, aber das war auf einmal gar nicht lächerlich, das war eher peinlich und voll Gefahr. Der glatte Kopf des Dr. Hartl lächelte verbindlich, aber jeder sah, wie kalt und höhnisch leer seine Höflichkeit war. Zwischen dem milden Bart des Reichsjustizministers Heinrodt gingen die Lippen auf und ab, auf und ab, und aus ihnen kamen einige allgemeine, wohlwollende Sätze über Recht und

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