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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Unrecht: aber sie klangen überraschenderweise gar nicht wohlwollend, eher ärgerlich, erbitternd. Auch der Kopf Rupert Kutzners zeigte sich. Als Johanna sprach von dem Zeitungsaufsatz der Wahrhaft Deutschen, in dem sie den Humanitätsaspiranten vom Kurfürstendamm den Rat gaben, sich ihren Martin Krüger sauer zu kochen, da erschien er, der Schädel des Führers. Er bestand aus einem aufgerissenen Mund mit einem winzigen Schnurrbart und aus ach, so wenig Hinterkopf, und das war ein befreiender Moment; denn da löste sich die Spannung der Hörer in lautes Gelächter. Dann warwieder die Stimme Johannas da, sie erzählte von ihrer Unterredung mit dem Minister Messerschmidt, daß nur mehr sechsundzwanzig Tage fehlten, und man hätte Martin Krüger freigelassen. Und der große, dumpfe Kopf des Ministers Messerschmidt mit den hervorquellenden Augen schaute armselig aus und aufreizend hilflos. So kamen sie, Kopf auf Kopf, ziemlich viele, manche bekannt aus den illustrierten Zeitungen. Aber sie waren erschreckend verwandelt auf der Leinwand, so vergrößert und raumfressend und während die Stimme erzählte, wie sie an diese Köpfe hingesprochen habe, an einen nach dem andern, vergeblich.
    Johannas Redeweise war nicht retuschiert, Sprechart nicht und Mundart nicht, man konnte sich schwer vor der Echtheit dieses Tones zusperren. Es saßen in dem Theater viele, die im Grund einverstanden waren mit den großen Köpfen und ebenso dachten wie sie. Sie hörten unbehaglich die unverlogen bayrische Stimme, sie schauten mit verpreßten Lippen auf die unverfälscht bayrischen Köpfe. Einen von ihnen aber hielt es nicht mehr auf seinem Sessel. Er sprang auf, er begehrte auf, er schrie dem redenden Schatten zu: »Lüge! Verleumdung! Sie sind eine unverschämte Verleumderin.« Es war ein wenig lächerlich, wie dieser lebendige Mensch sich mit dem tönendem Schatten herumstritt. Aber ob lächerlich oder nicht, man wollte sich nicht stören lassen, man wollte nicht ihn, man wollte den Schatten hören. Der aufgeregte Mann schrie noch mehrmals: »Schluß! Unverschämtheit!«, auch anderes, Unverständliches, aber man brachte ihn zum Schweigen.
    Der Schatten hatte unbeirrt weitergesprochen. Johanna erzählte jetzt, wie sie die Nachricht bekommen habe, Martin Krüger sei amnestiert, und wenige Stunden später die Nachricht, er sei tot. »Man hat mir gesagt«, sprach sie, »daß es Fälle krasseren Unrechts gibt und daß Männer zu Unrecht in den Gefängnissen sitzen, wichtiger für das Gemeinwohl als dieser Martin Krüger, der nun tot ist. Aber ich will das nicht begreifen, mir ist dieser Martin Krüger wichtiger als alles aufder Welt. Sagen Sie mir nicht: dem Mann ist nicht mehr zu helfen. Ich will ihm nicht helfen, ich will mir helfen. Ich hab gesehen, daß Unrecht geschah. Ich hab’s gesehen und seitdem ich es sah, ist mir das Essen verekelt und das Schlafen und meine Arbeit und das Land, in dem ich lebe und immer gelebt habe. Das Unrecht, das ich sah, ist nicht gestorben mit dem Mann, es ist immer da, es ist rings um mich, es ist am meisten da von allem Unrecht in der Welt. Ich muß davon reden. Gerechtigkeit beginnt zu Hause.« Sie hob, als sie dies sagte, die Hände, ließ sie aber gleich wieder sinken, etwas geniert, es war eine ziemlich hilflose Geste, auch klemmte sie auf ihre komische Art die Oberlippe zwischen die Zähne. Allein man lachte nicht, die blasierten Hörer schauten auf den starken Mund, was er weiter reden werde.
    Er redete aber nicht weiter. Vielmehr erschienen von neuem die großen Köpfe. Auch sie sagten nichts, sie versammelten sich stumm um Johanna Krain, sie lagerten sich um sie, eine stumme, bedrohliche Versammlung riesiggroßer Köpfe. Die Frau war sehr klein inmitten der Kolosse, ein kleiner Mensch mitten unter gigantischen Steinbildern uralter Götzen. Es war beängstigend, wie dieser kleine Mensch den Kampf aufnahm mit diesen Kopfgebirgen, es war ein aussichtsloses Unternehmen, es war gar nicht anders möglich, als daß er zermalmt wurde. Der kleine Mensch aber erhob seine Stimme und klagte an: »Die Toten sollen das Maul halten, hat einer von diesen Männern gesagt. Ich aber will nicht, daß der Tote den Mund hält. Der Tote soll den Mund aufmachen.«
    Alle sahen es. »Der Tote soll das Maul halten«, befahl stumm die drohende Versammlung der großen Köpfe. »Der Tote soll den Mund aufmachen«, begehrte der kleine Mensch.
    Und sie gerieten in Bewegung, die Köpfe, sie zogen sich enger um die Frau, folgten

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